Eine 60-Jährige besucht eine Hochzeit und bedient sich dort an einer grünen Paste am Buffet. Am nächsten Morgen stellt sie sich mit Brustschmerzen in der Notaufnahme vor.
Eine 60-jährige Frau besucht eine Hochzeitsfeier in Israel. Am Buffet gibt es eine grüne Paste – Avocadocreme denkt sie sich und bedient sich entsprechend. Sobald sie zurück an ihrem Platz ist, zögert sie nicht, einen gut gefüllten Löffel davon zu verspeisen. Kaum, dass sie ihn im Mund hat, folgt die schmerzhafte Gewissheit: Die grüne Paste auf dem Löffel war keine Avocadocreme. Es war Wasabi – ein japanischer Meerrettich.
Kurz nachdem sie die Paste geschluckt hat, fühlt die Frau plötzlich Druck und Enge in der Brust, was bis in die Arme ausstrahlt. Doch die Feier zu verlassen kommt für sie nicht in Frage und mit der Zeit lassen die Schmerzen nach. Doch als sie am nächsten Tag aufsteht, fühlt sie sich schwach und insgesamt unwohl – sie entscheidet sich, nun doch ärztlichen Rat einzuholen und stellt sich in der Notaufnahme vor.
Ihr Blutdruck bei Einlieferung beträgt 174/95mmHg und der Puls 81bpm. In der Auskultation sind Herz und Lunge unauffällig. Auf einem ersten Ultraschall sehen die Ärzte eine leichte linksventrikuläre Dysfunktion. Umgehend fertigen sie ein EKG an. Auf diesem zeigt sich ein normaler Sinusrhythmus mit signifikanten ST-Strecken Hebungen in V1-V2. In einem zweiten EKG, das etwa 12 Stunden nach ihrer Vorstellung angefertigt wird, zeigen sich dann T-Inversionen in V1-V2 sowie eine verlängerte QT-Zeit von 490ms. Vieles deutet auf einen Myokardinfarkt hin – auch das Troponin T ist mit 424ng/L (Normwert: 0-14ng/L) erhöht.
Die Ärzte verabreichen der Patientin sublinguales Nitroglycerin, auf das sie gut anspricht und bringen sie anschließend ins Katheterlabor. Doch dort stellt sich plötzlich alles ganz anders dar: Es können keinerlei Stenosen in den Herzkrankgefäßen identifiziert werden. Doch wie lassen sich die Symptome der Frau dann erklären?
In der Ventrikulographie sehen die Ärzte, dass die Funktion des linken Ventrikels reduziert ist und zudem die anterobasalen, anterioren und apikalen Segmente akinetisch sowie die inferoapikalen und inferobasalen Segmente hypokinetisch erscheinen. Aufgrund dieses Bildes schließen die Ärzte auf eine sogenannte Tako-Tsubo-Kardiomyopathie oder auch „Broken Heart Syndrom“. Hierbei handelt es sich um eine akute aber reversible Dysfunktion des linken Ventrikels, die meist durch emotionalen oder physischen Stress – wie hier vermutlich durch den Wasabi ausgelöst – bedingt ist. Das Synonym Tako-Tsubo-Kardiomyopathie leitet sich von einer japanische Tintenfischfalle in Form eines Kruges mit kurzem Hals ab, da die Form der linken Herzkammer am Ende der Systole diesem ähnelt.
Ein EKG zwei Tage später zeigt eine linksventrikuläre systolische Dysfunktion bei einer Ejektionsfraktion von 35%. Größe und Funktion des rechten Ventrikels sind normal. Die Patientin wird daraufhin mit ACE-Hemmern, Betablockern und Aldosteronantagonisten für die linksseitige systolische Dysfunktion behandelt und an eine kardiologische Rehabilitationseinrichtung überwiesen. Einen Monat später ist die linksventrikuläre systolische Dysfunktion Geschichte. Die Ejektionsfraktion liegt bei 60%. Das Herz der Frau ist wieder gesund.
Textquelle: Finkel-Oron et al. / BMJ
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