Inwiefern sich Tiere mit SARS-CoV-2 infizieren können, ist bislang nicht vollständig geklärt. Von neuen Infektionsstudien mit Schweinen, Hühnern, Flughunden und Frettchen erhofft man sich neue Erkenntnisse.
Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) begann vor wenigen Wochen mit Infektionsstudien in Schweinen, Hühnern, Flughunden und Frettchen. In den Studien wurde den Tieren SARS-CoV-2 in die Nase verabreicht, um den natürlichen Infektionsweg beim Menschen über den Nasen-Rachenraum nachzuahmen. Nilflughunde, die zu den Fledertieren gehören, wurden getestet, um Kenntnisse über die vermutete Reservoirfunktion von Fledermäusen zu erlangen. Diese Tiere konnten zwar infiziert werden, zeigten aber keine Krankheitssymptome und steckten Artgenossen nicht effizient an.
Frettchen sind bei anderen Atemwegsinfektionen, insbesondere durch Grippeviren, ein gutes Modell für den Menschen. Da SARS-CoV-2 sich vor allem im Atmungstrakt vermehrt, könnten Frettchen sich als Modell auch für diese Infektion eignen. Nach solch einem Tiermodell, das die Infektion des Menschen widerspiegelt, wird derzeit weltweit dringend gesucht. Die Versuche des FLI zeigen, dass sich Frettchen effizient mit SARS-CoV-2 infizieren lassen, das Virus gut vermehren und es auf Artgenossen übertragen.
Die Tiere vermehrten das Virus hauptsächlich in den oberen Bereichen des Atmungstraktes, zeigten dabei aber keine Krankheitssymptome. So folge die Virusvermehrung im Frettchen im zeitlichen Ablauf in etwa der beim Menschen, erklärt Prof. Dr. Thomas Mettenleiter, Präsident des FLI dem Science Media Center. „Die Weitergabe an Kontakttiere erfolgte auch im Frettchenmodell ohne dass besondere klinische Symptome beobachtet wurden. Das spiegelt die beim Menschen diskutierte Situation gut wider. Die Tiere werden allerdings nicht (schwer) krank, stellen daher eher kein gutes Modell für die klinische Erkrankung (COVID-19) dar.“ Damit steht jedoch ein Infektionsmodell zur Verfügung, das bei der Erprobung von Impfstoffen und Medikamenten gegen SARS-CoV-2 helfen könnte.
Auch eine südkoreanische Studie mit Infektionsversuchen an Frettchen erschien kürzlich im Journal Cell Host & Microbe. Im Verlauf des Versuchs wollten die Wissenschaftler aus Südkorea außerdem herausfinden, ob eine Übertragung per Aerosol unter den Frettchen stattfindet. Hierfür hatten sie neben einem Käfig, in dem infizierte Tiere direkt mit nicht-infizierten zusammengesetzt wurden auch einen Käfig, in den nur die Umgebungsluft der infizierten Frettchen eingeleitet wurde. Interessanterweise zeigte keines der Frettchen aus dem zweiten Käfig klinische Symptome, jedoch konnte auch bei diesen Tieren Virus-RNA in Proben der Nasenschleimhaut sowie des Kotes gefunden werden.
Bei einem Tier wurden sogar Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen. Dr. Roman Wölfel, Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München ist von einer Aerosolübertragung in diesem indirekten Kontaktmodell jedoch nicht überzeugt. „Zunächst zeigte keines der Tiere des indirekten Kontaktmodells Symptome wie Fieber oder Gewichtsverlust. Die Nachweise von SARS-CoV-2 RNA in den Nasenwegen und dem Stuhl der benachbart gehaltenen Frettchen war zudem sehr gering. Vergleichsabstriche von Oberflächen (zum Ausschluss von Umweltkontamination mit nicht mehr aktivem Virus) werden nicht berichtet. Auch die Daten zu Antikörpern überzeugen mich nicht von einer Übertragung infektiöser Viren durch Aerosole [...]." Außerdem lägen die Antikörper-Neutralisationstiter in den Seren der benachbart gehaltenen Tiere weit unter denen mit direktem Kontakt. Sie ähnelten eher den Antikörpertitern der nicht-infizierten Vergleichsgruppe.
„Insofern bedarf die Hypothese einer indirekten Übertragung von SARS-CoV-2 noch weiterer Untersuchungen und sollte aufgrund dieser Studie nicht als gesichert angesehen werden“, bewertet Dr. Wölfel die Ergebnisse.
Prof.Dr. Clemens Wendtner, Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen der München Klinik Schwabing rät gegenüber dem Science Media Center trozdem weiter zur Vorsicht: „Aus klinischer Sicht wird auch auf den Verdacht hin, dass infektionsfähige Aerosole in der Raumluft eines Patienten mit COVID-19 vorhanden sein könnten, gehandelt, ohne dass man den noch ausstehenden wissenschaftlichen Beweis der Infektiosität abwartet. Dies gilt insbesondere für Intensivstationen mit nicht-invasiver Beatmung mit Sauerstofftherapie (die sogenannte High-flow-Therapie), da hier hohe Aerosolkonzentrationen in der Raumluft entstehen.“ Seiner Ansicht nach sei proaktives Handeln besser, als eine konklusive wissenschaftliche Beweisführung abzuwarten. Patienten- und Mitarbeiterschutz würden das höchste Gut darstellen.
Nutztiere sind besonders in Kontakt mit dem Menschen. Daher wurden am FLI neben Flughunden und Frettchen auch Schweine und Hühner auf Empfänglichkeit für SARS-CoV-2 getestet. Es wurde untersucht, ob die Tiere infiziert werden, den Erreger vermehren und Krankheitssymptome zeigen. Weiterhin wurde getestet, ob sie den Erreger wieder ausscheiden und damit eine potenzielle Gefahr für den Menschen darstellen könnten. Unter den Versuchsbedingungen zeigten sich weder Schweine noch Hühner als empfänglich für eine Infektion mit SARS-CoV-2. Nach jetzigem Kenntnisstand sind sie also von dem Virus nicht betroffen und stellen demnach kein potentielles Risiko für den Menschen dar.
Die komplette Auswertung aller Versuchsreihen des FLI wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, mit den Endergebnissen ist Anfang Mai zu rechnen.
Bildquelle: Steve Tsang, unsplash