Niederländische Forscher konnten erstmals SARS-CoV-2 im Abwasser einiger Gemeinden feststellen – in einem Fall sogar bevor dort offiziell COVID-19-Fälle gemeldet wurden. Könnte die Abwasseruntersuchung also eine Art Frühwarnsystem darstellen?
Ein Teil der COVID-Erkrankten scheidet SARS-CoV-2 Viruspartikel mit dem Stuhl aus. Diese Erkenntnis warf bei niederländischen Forschern vom KWR Water Research Institute die Frage auf: Ist das Virus dann möglicherweise auch im Abwasser nachweisbar und welche Konsequenzen für die Früherkennung und Übertragung ergeben sich daraus? Um sie zu beantworten, untersuchten die Researcher das Abwasser von Kläranlagen, die 2 große und 3 mittelgroße Städte sowie einen Flughafen versorgen.
Die Proben wurden am 5. Februar 2020 und an zwei darauf folgenden Tagen genommen – drei Wochen bevor der erste COVID-19 Fall in den Niederlanden offiziell verzeichnet wurde, sowie ab dem 4. und 5. März mit einmal 38 sowie 82 gemeldeten Fällen, ferner am 15. und 16. März mit 1135 sowie 1413 Fällen. Aus diesen Proben wurde im Labor auf zwei verschiedene Arten RNA extrahiert: Für die Proben von Anfang Februar und Anfang März wurde das RNeasy PowerMicrobiom Kit verwendet. Für die Proben vom 15. und 16. März benutzten die Forscher die magnetischen Extraktionsreagenzien des Biomerieux Nuclisens Kits in Kombination mit dem halbautomatischen KingFisher mL Aufreinigungssystem. Anschließend wurden sie mittels Real-Time RT-PCR analysiert. Hierfür wählten die Forscher vier verschiedene Primer – drei für verschiedene Regionen des Nukleokapsidgens (N) und einen für das Envelope Protein Gen (E).
SARS-CoV-2 im Abwasser
In den Proben vom 6. Februar – drei Wochen bevor der erste Fall in den Niederlanden offiziell am 27. Februar gemeldet wurde – konnte keines der Gene nachgewiesen werden. In den Proben vom 4. und 5. März – als die Pandemie seit einer Woche die Niederlande erreicht hatte – konnte in vier der sechs Proben ein Nukleokapsidgenabschnitt nachgewiesen werden. In den Proben vom 15. und 16. März konnte dann in sechs Fällen das Nukleokapsidgen und in vier Proben das Envelope Protein Gen nachgewiesen werden. Mittels Elektrophorese konnte bestätigt werden, dass die Länge der PCR-Produkte mit der Länge der Zielgene übereinstimmte – es wurde also das Richtige gemessen. Der Nachweis von zwei verschiedenen Genfragmenten und auch das damit verbundene zeitliche Muster, sprechen also dafür, dass tatsächlich SARS-CoV-2 in Abwässern mehrerer Kläranlagen festgestellt werden konnte. Das geht damit einher, dass bereits in mehreren Studien mittels RT-PCR SARS-CoV-2 in Stuhlproben nachgewiesen werden konnte. Jedoch konnten lediglich in zwei Studien auch infektiöse Viruspartikel kultiviert werden. Daher gehen die Autoren davon aus, dass das Abwasser keinen signifikanten Übertragungsweg von SARS-CoV-2 darstellt.
Genmaterial ohne COVID-19 Fall?
Die große Hoffnung der Forscher liegt allerdings in folgender Entdeckung: In der Probe der Stadt Amersfoort vom 5. März konnte bereits Genmaterial von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Zu diesem Zeitpunkt war dort allerdings offiziell noch kein COVID-19 Fall gemeldet. Patienten, bei denen das Virus nur mit milden oder gar keinen Symptomen einhergeht, werden meist nicht getestet. So bleibt ein erheblicher Anteil der COVID-19 Fälle unentdeckt. Dennoch wird das Virus über den Stuhl ausgeschieden und gelangt so ins Abwasser, wo es dann nachgewiesen werden kann – eine Möglichkeit, um die Prävalenz leichter Infektionen in Gemeinden oder Städten einzuschätzen?
Für die anderen Städte konnte gezeigt werden, dass die Abwasseruntersuchung für einen Abschnitt des Nukleokapsidgens bereits bei einer Prävalenz von einem Erkrankten pro 100.000 Personen positive Ergebnisse liefert. Für das Envelope Protein Gen liegt die Prävalenz, ab der es zu positiven Messungen kommt, bei 3,5 Erkrankten pro 100.000 Personen. Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass es sich lediglich um grobe Werte handelt. Die Prävalenz dürfte verzerrt sein, da im Surveillance System der Niederlande die Fälle erst mit etwas Zeitverzögerung registriert werden.
Textquelle: © Medema et al. / KWR Water Research Institute
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