Bei fünf bis zehn Prozent der Patienten, die unter chronischem Husten leiden, lässt sich keine organische Ursache finden. Eine neue Leitlinie amerikanischer Lungenärzte gibt jetzt evidenzbasierte Empfehlungen für die Behandlung.
Von chronischem Husten spricht man, wenn der Husten länger als acht Wochen anhält. Häufiges Husten über einen langen Zeitraum kann eine Reihe von Gründen haben – von schwerwiegenden Krankheiten wie Lungenkrebs oder Herzinsuffizienz bis hin zu leichteren Erkrankungen wie chronischen Entzündungen der Nasennebenhöhlen oder Allergien. Aber auch Medikamente oder Reizungen durch Dämpfe oder Feinstaub können Dauerhusten auslösen. Allerdings gibt es auch Patienten, bei denen sich selbst nach sorgfältiger Abklärung keine Ursache finden lässt: Dies betrifft nach amerikanischen Angaben fünf bis zehn Prozent der Patienten, die wegen chronischen Hustens einen Arzt aufsuchen – die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin nennen sogar eine Häufigkeit von 10 bis 42 Prozent. Frauen scheinen dabei doppelt so oft betroffen zu sein wie Männer. Hartnäckiger Husten, der über Monate und Jahre anhält, kann für die Betroffenen sehr belastend sein und die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Durch den hohen Druck, der beim Hustenstoß auftritt, kommt es oft zu Kopf- oder Brustschmerzen. Auch Heiserkeit ist eine häufige Folgeerscheinung. Darüber hinaus lassen sich bei vielen Patienten eine erhöhte Nervosität und depressive Symptome beobachten.
Nun hat ein Expertenkomitee vom American College of Chest Physicians bisherige Studien zum Thema in einer Review ausgewertet und darauf basierend eine neue Leitlinie zu chronischem Husten ungeklärter Ursache formuliert. „Die Evidenz für diese Empfehlungen ist zwar nicht besonders hoch“, sagt Heinrich Worth, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Atemwegsliga. „Aber sie entsprechen dem aktuellen Stand der Forschung zu chronischem Husten unklarer Ursache.“ In der Leitlinie empfehlen die Experten ein systematisches Vorgehen, bei dem nach sorgfältiger Diagnostik und erfolglosen Therapieversuchen Tests für bronchiale Hyperreagibilität und Sputum-Eosinophilie durchgeführt werden. Eine Sputum-Eosinophilie kann durch eine erhöhte Zahl von eosinophilen Zellen im Hustenauswurf oder eine erhöhte Konzentration von Stickstoffmonoxid (NO) in der Ausatemluft nachgewiesen werden. Sie deutet auf eine Allergie oder erhöhte Empfindlichkeit der Atemwege gegenüber bestimmten Substanzen hin. Ist eines der Ergebnisse positiv, empfehlen die Forscher eine Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden – bei negativem Ergebnis in beiden Tests sollten dagegen keine Kortikosteroide verschrieben werden. Darüber hinaus sollte der ungeklärte Husten nicht auf Verdacht mit Protonenpumpenhemmern behandelt werden, wenn sich kein gastroösophagealer Reflux nachweisen lässt.
Eine weitere Empfehlung der Lungenspezialisten ist ein Behandlungsversuch mit dem Antiepileptikum Gabapentin. Dabei sollten mögliche Nebenwirkungen mit den Patienten besprochen und die Wirkungen und Nebenwirkungen über einen Zeitraum von sechs Monaten beobachtet werden. „Gabapentin gehört zu den neuromodulatorischen Substanzen und kann dazu beitragen, die Überempfindlichkeit des Hustenreflexes auf der Ebene des Gehirns und des Nervensystems zu reduzieren“, erläutert Worth. So deuten neue Ergebnisse darauf hin, dass vor allem Frauen mittleren Alters häufig chronischen Husten unklarer Ursache entwickeln, dem vermutlich eine Überempfindlichkeit des Hustenreflexes [Paywall] zugrunde liegt. Allerdings sollte bei Medikamenten, die den Hustenreiz unterdrücken, sorgfältig darauf geachtet werden, dass der Husten nicht auch eine sinnvolle Funktion erfüllt, betont Gerhard W. Sybrecht, Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Lungenstiftung. „Husten ist ein lebenswichtiger Reflex, der dazu beiträgt, schädliche Partikel aus der Lunge und den Bronchien herauszutransportieren“, so der Lungenexperte. „Hustenblocker sollten deshalb nur bei Reizhusten ohne Auswurf gegeben werden.“
Weiterhin empfiehlt das amerikanische Expertenteam, eine Behandlung mit multimodaler Sprachtherapie zu versuchen. Diese bestand in den analysierten Studien aus Techniken zur Hustenunterdrückung, Atemübungen, Informationsvermittlung und Beratung. Sie verringerte in allen oder den meisten der Studien die Hustenhäufigkeit und Hustenschwere – und trug vor allem zu einer besseren Lebensqualität bei. Allerdings seien weitere Untersuchungen notwendig, um die Wirksamkeit systematisch zu überprüfen, so die Autoren. „In den deutschen Leitlinien und in der Behandlungspraxis wird Sprachtherapie bisher noch nicht so stark gewichtet“, erläutert Heinrich Worth. „Aber dieser Ansatz sollte durchaus in Erwägung gezogen werden.“ In logopädischen oder physiotherapeutischen Ansätzen lernen die Patienten zum Beispiel, langsam und kontrolliert auszuatmen, sodass kein Hustenreflex mehr auftritt. „Darüber hinaus führen oft auch Stress und Aufregung dazu, dass der Hustenreflex leichter auslösbar ist – ein typisches Beispiel ist das nervöse Husten bei Fernsehsprechern“, erklärt Sybrecht. „In diesem Fall kann es hilfreich sein, langsam und ruhig zu sprechen und sich bewusst selbst zu beruhigen oder Entspannungstechniken anzuwenden.“ Auch psychotherapeutische Verfahren, Suggestion oder Hypnose können in manchen Fällen dazu beitragen, psychisch (mit-)bedingten Husten zu reduzieren.
Wichtig ist bei chronischem Husten aber auch, mögliche Ursachen sorgfältig abzuklären, um nicht eine seltene Erkrankung zu übersehen. „Ein chronischer Husten, für den sich zunächst keine Ursache finden lässt, sollte nicht vorschnell als ‚psychogen‘ oder ‚ungeklärt‘ eingestuft werden“, betont Sybrecht. „Stattdessen sollte die Diagnostik systematisch erfolgen und Schritt für Schritt weiter getrieben werden. Dabei sollte auch an unwahrscheinliche Ursachen gedacht werden – zum Beispiel Reizstoffe in der Umwelt oder eine Allergie gegen Substanzen, die bisher noch nicht als Allergene bekannt sind.“ Zudem kann bei Frauen eine Bestrahlungstherapie nach Brustkrebs zu bronchialen Schädigungen führen, die starken Husten auslösen können. „Es ist also wichtig, einen Spezialisten zu finden, der die Probleme mit Kompetenz und Engagement abklärt“, so Sybrecht. Darüber hinaus könnte es sinnvoll sein, bei der Behandlung chronischen Hustens die Zusammenarbeit zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtungen zu verbessern, wie eine amerikanische Studie [Paywall] zeigt. Hier wurden in einem Modellprojekt die Kommunikation zwischen den Ärzten verschiedener Fachrichtungen gefördert und Behandlungsentscheidungen anhand gemeinsamer Entscheidungsbäume getroffen. Diese Maßnahmen trugen dazu bei, den Behandlungsweg der Patienten zu verkürzen und Gesundheitskosten zu verringern.
Schließlich gibt es eventuell noch eine recht einfache Möglichkeit, lästigen Dauerhusten zu lindern: Mithilfe pflanzlicher Substanzen wie Eukalyptus, Thymian oder Myrtol – oder mit hochdosiertem Capsaicin, der „Schärfequelle“ von Chili. „Diese Stoffe sind in Studien bisher noch nicht hinreichend erprobt“, erläutert Worth. „Aber es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass hochdosiertes Capsaicin den Hustenreiz wirksam lindern kann.“ So verringerte die Substanz, in Kapselform verabreicht, die Hustensensitivität und Hustenhäufigkeit signifikant. Eukalyptus oder Myrtol sind in vielen Hustenpastillen oder -kapseln enthalten, Capsaicin findet sich in manchen „extra scharfen“ Hustenbonbons.