Für das Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt der Entwurf eines Epidemie-Gesetzes vor. Es beinhaltet die Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat es eilig. Er will für das Bundesland Nordrhein-Westfalen ein Epidemie-Gesetz im Eilverfahren durchsetzen. Im Gesetzentwurf ist von einer „Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie“ die Rede, die in jenen Fällen erfolgen soll, wenn Bundestag oder Landtag eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ ausrufen. Und die würde sich dann vor allem auf die Strukturen des Gesundheitssystems auswirken.
Denn in dieser Sondersituation soll das Gesundheitsministerum befugt sein, Kliniken dazu zu zwingen, Behandlungskapazitäten zu schaffen. Es bestünde außerdem für Behörden die Möglichkeit, Ärzte, Pfleger und Rettungskräfte zum Kampf gegen die Epidemie zu verpflichten. „Die Behörden können jede Person [mit abgeschlossener Ausbildung in der Pflege, im Rettungsdienst oder in einem anderen Gesundheitsberuf] zur Erbringung von Dienst-, Sach-und Werkleistungen an Einrichtungen der medizinischen oder pflegerischen Versorgung zuweisen und verpflichten“, heißt es im Entwurf. Das zuständige Ministerium soll außerdem Anordnungen zur Verschiebung elektiver Eingriffe aussprechen können.
Und wie ist die Lage in den restlichen Bundesländern? „Auf Bundesebene wird es ähnliche Regelungen geben. Dessen bin ich mir ganz, ganz sicher“, sagt Oliver Wittke in einem Interview mit Deutschlandfunk. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen ist der Ansicht, ein Epidemiegesetz könne im Akutfall verhindern, „dass Ärzte dann nicht in irgendwelchen Verwaltungen, in irgendwelchen Behörden, in irgendwelchen Unternehmen nichtmedizinische Dienste leisten. […] wenn ein Ärztenotstand droht, weil beispielsweise auch Mediziner ausfallen, weil sie infiziert worden sind, und ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben können, [d]ann kann es […] sinnvoll sein, in solchen Ausnahmesituationen Ärzte zu verpflichten, als Ärzte tätig zu werden und nicht Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen.“ Wie sinnvoll es ist, einen Arzt, der etwa seit Jahrzehnten hinter dem Schreibtisch sitzt und Verwaltungsaufgaben bearbeitet, in die Intensivmedizin zu beordern, sei dahin gestellt.
Im Interview wird Wittke gefragt, wer denn konkret derartige Bestrebungen im Bund habe und ob er sich vorstellen könne, dass Bundesgesundheitsminister Spahn eine bundesweite Epidemie-Regelung etabliere. „Dieser Aufgabe muss eine Landesregierung nachkommen. Das ist zuerst einmal nicht Aufgabe des Bundes“, lautet die widersprüchliche Antwort.
Weiterhin gilt, dass Kliniken, die noch nicht hauptsächlich Corona-Patienten behandeln, andere Kliniken unterstützen sollen, indem sie für Patientenübernahmen und Personalaustausch zur Verfügung stehen. Auch für Schutzmaterial gibt es in einer epidemischen Lage eine Sonderregelung. So dürfte dann medizinisches, pflegerisches und sanitäres Material bei Firmen sichergestellt und zu einem normalen Preis abgekauft werden. „Um die angesichts der epidemischen Lage erforderliche Aufgabenerfüllung sicherzustellen“ sollen „weitergehende Anordnungen“ möglich sein, auf die nicht näher eingegangen wird.
Eigentlich wollte Laschet das Gesetz schon gestern (Mittwoch) beschließen lassen. Umgesetzt wurde aber noch nichts. Denn im Landtag am Mittwoch stieß das Epidemie-Gesetz auf massive Ablehnung. Ein Ärztevertreter bezeichnete es als „Ermächtigungsgesetz“.
Die SPD fühlte sich übergangen, es dürfe nicht am Landtag vorbei regiert werden, kritisierte Fraktionschef Thomas Kutschaty. Seine Partei werde keine verfassungswidrigen Gesetze und Ermächtigungen unterstützen. Auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Monika Düker sprach sich gegen „Blanko-Vollmachten“ aus. Sie habe gravierende verfassungsrechtliche Bedenken, weshalb der Entwurf einer Nachbesserung sowie einer Befristung bedürfe.
„Das wird nur funktionieren, wenn das alle gemeinsam machen“, sagte Laschet. Deshalb soll am Montag, dem 6.4. 2020 eine Expertenanhörung stattfinden.
Im Freistaat gibt es längst den „Notfallplan Corona-Pandemie“, der vergangenen Freitag verkündet wurde und seitdem in Kraft ist. Im Zuge dieses Plans hat Ministerpräsident Söder der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns die Zuständigkeit für die ärztliche Versorgung im Land entzogen.
Ein Auszug des Erlasses lautet wie folgt:
„Zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie ist in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt bei der Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) ein Versorgungsarzt einzusetzen. […] Der Versorgungsarzt hat die Aufgabe, eine ausreichende Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit ärztlichen Leistungen und entsprechender Schutzausrüstung zu planen und zu koordinieren, soweit dies bei der Bewältigung des Katastrophenfalls erforderlich ist.“
Wer diese sogenannten Versorgungsärzte also sind, bestimmten die Landräte auf Ebene der Landkreise bzw. Oberbürgermeister auf Ebene der kreisfreien Städte. KBV-Vorsitzender Andreas Gassen sieht in dem Plan eine „Panikreaktion“. „Anstatt die eigenen, staatlichen Verpflichtungen zu erfüllen, wird der Freistaat übergriffig und versucht durch eine Politik mit der Brechstange, Handlungsfähigkeit zu beweisen“, kritisiert Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbunds.
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