Krankenhäuser in China können sich nur über Wasser halten, indem sie Medikamente gewinnbringend verhökern. Sie höhlen das Gesundheitssystem aus – und gefährden Patienten. Alte Kader sind ratlos. Jetzt schlägt die Stunde neuer Medien.
Chinas Gesundheitssystem steht auf dem Scheideweg: Halten gegenwärtige Tendenzen an, werden Behörden kaum noch alle Leistungen finanzieren können. Sie kämpfen an etlichen Fronten. Ein Überblick:
Epidemiologen und Statistiker erwarten, dass sich die Zahl an Rauchern in China bis 2030 verdoppeln wird, gemessen am Jahr 2010. Unter den Opfern waren bislang 840.000 Männer und 130.000 Frauen – bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen. Bald könnten zwei Millionen Chinesen an unterschiedlichen Folgen des blauen Dunstes versterben. Die Autoren sprechen von einer „sich ausbreitenden Epidemie vorzeitiger Tode“. Volkswirtschaftliche Kosten kommen noch hinzu. Als Maßnahme schlagen Wissenschaftler vor, Zigarettenpreise drastisch zu erhöhen: ein Grund, warum viele Industrienationen seit Jahren weniger Tote durch Glimmstängel zu beklagen haben.
Chinas Klinken sind auch Teil des Problems, das zeigen aktuelle Zahlen. Rund 40 Prozent des Budgets gaben Kostenträger im letzten Jahr für Arzneimittel aus (Deutschland: 14,9 Prozent). Dabei gingen 70 Prozent aller Kosten für Pharmaka auf das Konto von Krankenhäusern. Zhang Zenshong, Generalsekretär des Chinese Health Economics Institute (CHEI), kennt den Grund. Kliniken seien nicht ausreichend finanziert. Sie erhielten zwar ein Fixum. Dieser Betrag sei über Jahre hinweg aber nicht mehr angepasst worden. Deshalb finanzieren sich etliche Einrichtungen quasi selbst, indem sie Arzneimittel auf dem Markt billig erwerben und teuer an Privatpersonen verkaufen. Zwischenhändler versuchen ebenfalls, sich am Geschäft mit Pillen und Tropfen zu bereichern. Jetzt plant die Regierung eine umfassende Reform. Provinzen sollen nur noch Kontingente bestimmter Arzneimittel erhalten und selbst verteilen. Gleichzeitig hoffen Krankenhäuser auf mehr Geld für ihre Leistungen. Doch der Optimismus hält sich in Grenzen.
Große Konzerne machen aus der Not eine Tugend. Die Alibaba Group, Betreiber von Alibaba.com und Taobao, arbeitet an Portalen zum Preisvergleich von Medikamenten. Die Idee: Per Smartphone-App fotografieren Patienten ihr Rezept und übertragen Bilddaten auf ein Portal. Dann geben Apotheker ihr Gebot für das jeweilige Präparat ab. Der günstigste Kollege erhält den Zuschlag. Zahlungen wickelt Alibaba über AliPay ab. Mächtige Kader tolerieren neue Entwicklungen – schließlich führen sie zu mehr Erfolg als staatlich verordnete Reformen.