Eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler plädiert für eine Studie, bei der gesunde junge Menschen SARS-CoV-2 ausgesetzt werden. So sollen Impfstoffkandidaten getestet werden.
Diesen Monat startete in den USA die erste klinische Phase-I-Studie. An insgesamt 45 Erwachsenen soll die Sicherheit eines Impfstoffkandidaten überprüft werden. Während in Phase II dann die Wirksamkeit an einer etwas größeren Gruppe untersucht werden würde, bräuchte es für eine Phase-III-Studie tausende bis zehntausende von Teilnehmern für ein repräsentatives Ergebnis. An ihnen müsste überprüft werden, wer sich ansteckt und wer nicht. Hierzu würde einem Teil der Probanden der Impfstoff verabreicht werden, weitere Versuchspersonen würden ein Placebo oder einen konkurrierenden Impfstoffkandidaten erhalten. Anschließend würden Wissenschaftler dann die Unterschiede in den Infektionsraten beobachten. Dies würde jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen – Zeit, die aktuell knapp ist.
Eine Forschergruppe, bestehend aus einem Bioethiker und zwei Epidemiologen, fordert deshalb angesichts der Pandemie eine kontrollierte Challenge-Studie an ungefähr 100 Personen, die jung, gesund und noch nicht infiziert sind. Diese sollen entweder mit einem Impfstoffkandidaten behandelt werden oder ein Placebo erhalten und schließlich gezielt dem Virus ausgesetzt werden. Anschließend wird getestet, ob sich die geimpfte Gruppe im Gegensatz zur Placebo-Gruppe nicht ansteckt. Dafür muss jedoch gewährleistet sein, dass der potenzielle Impfstoff sicher ist und eine Immunantwort auslöst.
Da die Challenge-Studie relativ klein wäre und einige Freiwillige nur wenige klinische Symptome aufweisen könnten, müsste die Wahl des primären Endpunkts in Gesprächen mit den Zulassungsbehörden sorgfältig geprüft werden. Eine Möglichkeit wäre, mindestens einmal täglich die Viruslast (zum Beispiel mittels Rachenabstrichen) zu messen und dann im Verlauf zu kumulieren. Außerdem könnte die Zeit bis zum Auftreten erster klinischer Symptome bestimmt werden.
Alle Probanden sollen täglich oder häufiger getestet und im Zweifelsfall sofort behandelt werden. Angesichts des Mangels an Intensivpflegeplätzen in den USA könnte die zügige Behandlung der Probanden in ein paar Monaten jedoch eine besondere Herausforderung darstellen.
Der Hauptautor äußerte diesbezüglich gegenüber Nature, dass Teilnehmern ein leichter Zugang zu Behandlungen ermöglicht werden muss. Diese Voraussetzung und die engmaschige Überwachung betrachtet er als Vorteil gegenüber einer Ansteckung im Alltag und weist darauf hin, dass Personen ausgewählt werden sollten, für die eine Infektion so oder so höchstwahrscheinlich ist. Auch appelliert er an den Altruismus potentieller Teilnehmer.
Teilnehmer könnten seiner Meinung nach bezahlt werden, doch sollte der Betrag nicht zu hoch sein, um einem Ausnutzen ärmerer Teile der Gesellschaft vorzubeugen. Der Frage, ob solch ein Vorgehen von autoritären Regierungen im Rahmen von Zwangsteilnahmen missbraucht werden könnte, weicht er jedoch aus.
In ihrer Studie schreibt das Team, dass im Falle eines vielversprechenden Ergebnisses eine größer angelegte Placebo-kontrollierte Studie durchgeführt werden müsste. Dies wiederum würde circa 3.000 geimpfte Probanden erfordern, an denen die Immunogenität weiter erforscht werden müsste. Hier käme laut der Autoren dann die Hauptzielgruppe für eine Impfung, also Ältere und Vorerkrankte, als Teilnehmer infrage.
Es könne dazu kommen, dass der Schutz im Rahmen einer kontrollierten Infektion nicht bei einer natürlichen Ansteckung gegeben sei, so die Wissenschaftler. Auch das müsse vorsichtig überprüft werden.
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