Der Klinikbetrieb muss auch unabhängig vom Coronavirus weitergehen, fordern Fachgesellschaften. Sie sprechen sich für Mindestkapazitäten bei nicht elektiven Eingriffen aus.
COVID-19 habe alles verändert und stelle nun auch den gynäkologischen Berufsstand vor enorme Herausforderungen, heißt es in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Arbeitsgemeinschaft für Onkologie e.V. (AGO in der DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. (DGS):
Die Kliniken haben ihre Organisationsabläufe umgestellt – echt-elektive Operationen wie zum Beispiel Deszensus- und Beckenbodeneingriffe oder aber ästhetisch motivierte Rekonstruktionen werden vorerst zu Gunsten einer Notfallversorgung für COVID-19-Patienten ausgesetzt.
Allerdings bringt das neu vorgegebene Priorisierungssystem insbesondere unsere Fachkollegen mit onkologischem Schwerpunkt in ein medizinethisches Dilemma. Denn hier besteht die große Gefahr, dass unseren eigentlich dringlich zu behandelnden PatientInnen mit einer Krebsdiagnose aufgrund der strikten Priorisierung die notwendige operative Therapie versagt wird. Dies geschieht, weil die OP- und Intensiv-Ressourcen aktuell vorbeugend für Fälle mit Covid-19-Erkrankung reserviert werden, auch wenn sie aufgrund des aktuellen Patientenanfalls noch gar nicht benötigt werden.
Onkologische Operationen sind keine elektiven Eingriffe
Tatsächlich sind onkologische Operationen zwar keine nicht aufschiebbaren Notfälle; dennoch müssen sie innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens von wenigen Wochen erfolgen, will man die Heilungschancen nicht verpassen. Hierzu zählt selbstverständlich auch die notwendige zeitnahe medikamentöse Therapie.
Wenn – wie gegenwärtig – nicht absehbar ist, wann die Coronakrise und der damit verbundene Engpass beendet sind, bedeutet eine Verschiebung einen Aufschub auf einen unbekannten Zeitpunkt. Das ist solange ethisch nicht vertretbar, wie keine Triage-Situation besteht, in der die Behandlung tatsächlich nach der individuellen Überlebenschance priorisiert werden muss. Eine derartige Situation besteht in Deutschland derzeit mit Blick auf COVID-19 nicht. Vielmehr werden Operationsprogramme auch für onkologische Eingriffe gekürzt, ohne dass bereits ein tatsächlicher Engpass besteht.
Um zu verhindern, dass sich unsere Patienten mit heilbaren Tumorleiden durch ein einseitiges Priorisierungsmodell zu Palliativfällen mit unumkehrbar lebensverkürzenden Diagnosen entwickeln, empfehlen wir unverzüglich die Einführung von Mindestkapazitäten für dringliche nicht elektive OPs und Interventionen in der gynäkologischen Onkologie.
Gleiches gilt für die Geburtshilfe oder nicht onkologische Fälle. Auch hier erfahren wir von Tendenzen, nicht dringliche Kaiserschnitte zu elektiven und damit zu aufschiebbaren Operationen zu erklären. Oder es wird versucht, notwendige Operationen mit konservativen Maßnahmen so hinauszuzögern, dass die PatientInnen Gefahr laufen, als Notfall ungeplant in die Kliniken kommen zu müssen.
Im Namen unserer PatientInnen hoffen wir mit Blick auf unsere dringliche Empfehlung unverzüglich auf Ihre notwendige politische Unterstützung – denn die Zeit drängt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe im Zusammenschluss mit der Arbeitsgemeinschaft für Onkologie e. V. (AGO in der DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie e. V. (DGS).
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