Der Off-Label-Use von Medikamenten zur Therapie von COVID-19 birgt Chancen, aber auch nebenwirkungsbedingte Risiken. Eines davon ist der plötzliche Herztod.
Angesichts der steigenden Patientenzahlen mit COVID-19 unternehmen nun viele Kliniken Behandlungsversuche durch einen Off-Label-Einsatz von Malariamitteln oder HIV-Medikamenten. Doch viel diskutierte Kandidaten wie Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin oder Lopinavir und Ritonavir können mit einem erhöhten Risiko für medikamentenassoziierte ventrikuläre Arrhythmien und plötzlichem Herztod einhergehen. Wissenschaftler der Mayo Clinic in Rochester haben nun ein Paper veröffentlicht, das Ärzten bei der Einteilung ihrer Patienten in kardiale Risikogruppen helfen soll.
Das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin kann in vitro verhindern, dass SARS-CoV-2 an Zellen bindet und in diese eindringt. Wenn sich die antiviralen Eigenschaften auch in vivo bestätigen, könnte die Substanz tausenden von COVID-19-Patienten das Leben retten. Auf zellulärer Ebene blockiert Hydroxychloroquin unter anderem den hERG-Kanal, einen wichtigen Kalium-Kanal, der zuständig für die Repolarisation der Kardiomyozyten ist. Durch die Hemmung des Kaliumausstroms kann es zu einer verlängerten QT-Zeit und damit einem gesteigerten Risiko von Herzrhythmusstörungen kommen – im schlimmsten Fall zum plötzlichen Herztod. „Eine korrekte Einschätzung, welche der COVID-19-Patienten ein erhöhtes Risiko für diese Nebenwirkung haben sowie ein richtiger Einsatz dieser Medikamente sind essenziell für eine Behandlung“, erklärt Dr. Michael J. Ackerman, Kardiologe und Seniorautor der Veröffentlichung in einer Pressemitteilung der Mayo Clinic.
Die Autoren möchten Medizinern mit ihrem Paper einen Wegweiser an die Hand geben, um auf mögliche Risiken der Medikamente sowie die Bedeutung eines QTc-Monitorings während der COVID-19-Therapie hinzuweisen. „Momentan ist es eher wie im Wilden Westen da draußen“, sagt Dr. Ackermann. „Von einer völlig fehlenden QTc-Diagnostik und damit der Hinnahme dieser gefährlichen Nebenwirkung bis hin zu vermeidbaren Besuchen des Arztes zur EKG-Auswertung. Hierfür werden knappe Ressourcen wie Schutzkittel und Atemmasken benötigt.“
In ihrer Guideline geben die Mediziner auch Anleitungen, wie Ärzte 12-Kanal-EKGs mittels Telemetrie oder Smartphone-fähiger mobiler Geräte auswerten können, um Risikopatienten zu identifizieren und zu berücksichtigen. Hierdurch kann gleichzeitig wertvolle Schutzausrüstung gespart werden.
Laut Ackermann müsse man bei jedem Patienten folgende Aspekte abwägen: Bei einer Person unter 40 Jahren mit mildem COVID-19-Verlauf, aber einer QT-Zeit ≥ 500 Millisekunden solle man dann vielleicht besser auf eine Behandlung mit Hydroxychloroquin verzichten, da das Risiko für eine Arrhythmie größer sei als das der respiratorischen Komplikationen aufgrund der Virus-Infektion. Bei älteren Personen mit einem schwereren COVID-19-Verlauf und Zusatzfaktoren wie Immunsuppression sollte man jedoch selbst bei verlängerter QT-Zeit den direkten Nutzen der Behandlung in den Vordergrund stellen.
Der Mediziner ist der Meinung, dass wahrscheinlich in bis zu 90 % der Fälle nach gründlicher EKG-Diagnostik eine Behandlung mit Hydroxychloroquin erwogen werden könne und in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit für kardiale Nebenwirkungen eher gering bleibe.
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