Während Patienten Paracetamol hamstern, kaufen Ärzte verstärkt Chloroquin ein. Gerade jetzt erscheinen mir Einkaufsobergrenzen in der Apotheke sinnvoll.
„Pro Einkauf maximal ein Paket Toilettenpapier und zwei Packungen Nudeln“, lesen wir in diesen Tagen nur allzu häufig an den Supermarktkassen. Sollten wir Regelungen in dieser Art auch in den Apotheken einführen? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass inzwischen auch für Apotheken Einkaufsobergrenzen festgelegt wurden, erscheint diese Idee sinnvoll.
Dass sich Hamsterkäufe nicht nur auf Lebensmittel und Toilettenartikel beschränken ist in diesen Zeiten jedem von uns bewusst. Es ging mit Hand- und Flächendesinfektionsmittel los, mit Mundschutz und Einmalhandschuhen weiter, und zurzeit ist es vor allem Paracetamol, das bei den Kunden gefragt ist – und Chloroquin bei der Ärzteschaft.
Von Mitarbeitern des pharmazeutischen Großhandels hörte man in dieser Hinsicht aber noch mehr, nämlich von Einkäufen durch einige Apotheken in Mengen, die den Vorjahreszeitraum um das mehr als fünfhundertfache übersteigen. Gemunkelt wurde von einem Verschieben der Ware nach Russland, aber alles hinter vorgehaltener Hand. Sie erzählen von bereits gepackten Großhandelskisten, die in der letzten Minute vom Band geholt und ausgeräumt werden, weil eine einzelne Apotheke früh morgens den kompletten Bedarf des ganzen Umkreises an Einmalhandschuhen aufgekauft hat.
In dieser Hinsicht ist es nicht verwunderlich, dass der Staat eingreift. Am 20.03.2020 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) daher eine „Allgemeine Anordnung“ an die pharmazeutischen Unternehmer und die pharmazeutischen Großhändler zur Lagerhaltung und bedarfsgerechten Belieferung von Humanarzneimitteln erlassen.
Für öffentliche Apotheken ist die ordnungsgemäße Versorgung zur gesetzlichen Mindestbevorratung durch pharmazeutische Unternehmen oder den pharmazeutischen Großhandel von einer Woche sicherzustellen. Die Belieferung mit Arzneimitteln soll dabei auf der Basis der Abgabemengen des Vorjahres erfolgen. In begründeten Fällen kann der pharmazeutische Großhändler auch von den Abgabemengen des Vorjahres abweichen, sofern dies zur Sicherstellung der gesetzlichen Mindestbevorratung der Apotheke erfolgt und nicht der Überbevorratung dient.
Da diese Maßnahmen für den Einzelfall offenbar noch immer nicht ausreichend erscheinen, wurde am 24.03.2020 noch ergänzend dazu eine Bitte durch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) geäußert: ApothekerInnen sollen Patienten, die paracetamolhaltige Arzneimittel erwerben möchten, angemessen beraten und dadurch mithelfen, einen Versorgungsengpass zu vermeiden.
Wörtlich heißt es dazu: „Apotheken sollen im Rahmen der Beratung therapeutische Alternativen prüfen und Paracetamol-haltige Arzneimittel nur dann abgeben, wenn im individuellen Einzelfall keine therapeutische Alternative in Frage kommt. Es soll nur so viel abgegeben werden, wie für den akuten Behandlungsfall erforderlich ist. Diese Vorgaben gelten auch für den Versandhandel.“ Wie diese Vorgaben für Online-Versandhändler aus dem Ausland umgesetzt werden sollen, ist eine durchaus interessante Frage – wenn diese Arzneimittel denn lieferfähig wären. Aber offenbar wurde dort bereits deutlich über Vorjahresbedarf abverkauft, denn Paracetamol-Tabletten sind auch dort bereits Mangelware.
Was bedeutet das also? Werden die Apotheken kontingentiert, müssen sie dies auch an die Kunden weitergeben, sonst ist an eine flächendeckende Versorgung nicht mehr zu denken. Wenn einige wenige die Medikamente horten und hamstern, dann ist für diejenigen, die sie im Akutfall benötigen, nichts mehr da. So geht es im Übrigen vielen Mitarbeitern in den öffentlichen Apotheken, denn über die „Klopapierhamsterei“ können sie nicht mehr lachen. Bei Arbeitszeiten bis weit nach 18:30 Uhr hilft auch die Mittagspause nicht, um an die benötigten Papierrollen zu kommen. Woran erkennt man also die Mitarbeiter einer systemrelevanten Berufsgruppe? Daran, dass sie Toilettenpapier online bestellen müssen.
Was hat es nun mit dem Chloroquin auf sich? In-vitro-Daten legen nahe, dass Chloroquin die SARS-Cov-2-Replikation hemmt. In früheren Forschungen hat Chloroquin eine In-vitro-Aktivität gegen viele verschiedene Viren gezeigt, in Tiermodellen jedoch keinen Nutzen gebracht. Daher wurde Chloroquin bereits mehrfach ohne Erfolg zur Behandlung von akuten Viruserkrankungen beim Menschen vorgeschlagen. Es wird trotzdem als einer der Favoriten gehandelt und daher häufig auch direkt in Kombination mit Azithromycin per vorgelegtem Arztausweis in den Apotheken eingekauft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Gegen Rezepte können sich Apotheken nicht wehren, da sie dem Kontrahierungszwang gemäß § 17 Abs. 4 ApBetrO unterliegen. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente gegen einen vorgelegten Arztausweis zählt hier im Übrigen nicht dazu. Daher wäre auch hier eine kontingentierte Abgabe durchaus möglich.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Medikamente mit raren Wirkstoffen (zu denen inzwischen bereits Metformin gehört) in der Mengenabgabe beschränkt werden. Die Apotheken werden sich im Zuge dessen allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf unerfreuliche Diskussionen mit den „Hamstern“ einstellen müssen.
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