Ich habe es kaum zu hoffen gewagt, aber die Forderungen einiger Apotheker waren offenbar endlich erfolgreich. Eine Übersicht zu ausgesetzten Rabattverträgen und Ausnahmen in der Biozid-Verordnung.
Was viele nicht zu hoffen wagten, ist nun tatsächlich für manche Krankenkassen eingetreten: Eine große bürokratische Hürde wurde in Teilen ausgesetzt. Ich spreche von der strikten Einhaltung der Rabattverträge. Die Ausnahmeregelung gilt für die Mitglieder des Verbands der Ersatzkassen (VDEK), dem die Barmer, DAK, KKH, HEK, HKK und die TK angehören.
Seit dem 17. März 2020 darf in der Apotheke auch ein nicht rabattiertes Arzneimittel abgegeben werden, wenn ein rabattiertes Medikament erst bestellt werden müsste. Dieses Vorgehen vermeidet für die Patienten einen zweiten Besuch in der Apotheke und verringert die Möglichkeit, mit einer erkrankten Person in Kontakt zu kommen. Damit tragen auch die Forderungen einiger Apotheker erste Früchte (DocCheck berichtete).
„Die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Ersatzkassen leisten ihren Beitrag dazu, wo immer es möglich ist. Mit der kurzfristig getroffenen Regelung zur Arzneimittelabgabe schützen wir insbesondere ältere und vorerkrankte Patienten, die Apotheken besonders häufig aufsuchen. Zugleich ist es ein Beitrag zur Verringerung des allgemeinen Infektionsrisikos“, erklärte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des VDEK.
Auch die AOK Rheinland/Hamburg hatte eine ähnlich lautende Vereinbarung schon einige Tage zuvor mit dem Hamburger Apothekerverein und dem Apothekerverband Nordrhein getroffen. Bei Verordnungen für ihre Mitglieder kann bei einer Nichtverfügbarkeit ebenfalls ein nicht rabattiertes Arzneimittel abgegeben werden, wenn ein Sonderkennzeichen für die Abgabe eines Nichtrabattartikels während der Corona-Krise auf dem Rezept vermerkt wurde. Inzwischen hat sich auch die IKK Classic diesem Vorgehen angeschlossen.
Wie bereits berichtet, gab es Anfang März zudem eine Ausnahmegenehmigung für Apotheken, die die Biozidverordnung vorerst bis Ende Mai 2020 in Teilen außer Kraft setzt. Diese besagte bis zu diesem Zeitpunkt, dass die Herstellung von Bioziden auf Einzelanforderung oder auf Vorrat in der Apotheke ohne Zulassung grundsätzlich nicht zulässig ist. Desinfektionsmittel, die nach bestimmten EU-Vorgaben in der Apotheke gemischt werden können, wurden davon vorerst befreit.
Das kann jederzeit durch die Bundesstelle für Chemikalien widerrufen werden und gilt befristet bis zum 31. August 2020. Grundlage für diese Entscheidung war eine in der Biozidverordnung verankerte Ausnahmeregelung, die befristet für maximal 180 Tage gilt, wenn eine Gefahr unter anderem für die öffentliche Gesundheit besteht.
Sie gilt nicht nur zur Händedesinfektion für die von der WHO empfohlenen Rezeptur,
2-Propanol 99,8 Prozent (V/V) 75,15 MilliliterWasserstoffperoxid 3 Prozent (V/V) 4,17 MilliliterGlycerol 98 Prozent (V/V) 1,45 MilliliterGereinigtes Wasser ad 100,00 Milliliter
2-Propanol 99,8 Prozent (V/V) 75,15 Milliliter
Wasserstoffperoxid 3 Prozent (V/V) 4,17 Milliliter
Glycerol 98 Prozent (V/V) 1,45 Milliliter
Gereinigtes Wasser ad 100,00 Milliliter
sondern auch zur Flächendesinfektion für die Verdünnung eines Isopropanol-Wasser-Gemisches auf 70 Prozent (V/V).
Zusätzlich kam inzwischen noch ein ergänzender Erlass der Bundesstelle für Chemikalien, die „Allgemeinverfügung zur Zulassung 2-Propanol-haltiger, 1-Propanol-haltiger und Ethanolhaltiger Biozidprodukte zur hygienischen Händedesinfektion zur Abgabe an berufsmäßige Verwender aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ (geht einem leicht von der Zunge).
Damit kann jetzt auch Ethanol verwendet werden, wenn es Probleme bei der Beschaffung von Isopropanol gibt. Damit diese Rezepturen für die Apotheken und die Öffentlichkeit bezahlbar sind, wurde am 17. März 2020 durch das Bundesfinanzministerium die Herstellung mittels unversteuertem und unvergälltem Alkohol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln erlaubt.
Ein normalerweise notwendiges Erlaubnisverfahren für dessen Nutzung entfällt für Apotheken ebenfalls, um den unkomplizierten Zugang zu den Steuerlagern zu ermöglichen. Dort muss als Bezugsnachweis nur die Betriebserlaubnis der Apotheke vorgezeigt werden. Auch dies ist eine Ausnahmeverordnung und gilt vorerst bis zum 31. Mai 2020, je nachdem, wie sich die COVID-19-Pandemie weiterentwickelt.
Als weitere Möglichkeit, wie Desinfektionsmittel ohne Belastung mit der Alkoholsteuer hergestellt werden können, nennt der Zoll das:
„Desinfektionsmittel unterliegen § 27 Abs. 1 Nr. 3 AlkStG und können mithin im Rahmen der allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 57 AlkStV aus Alkohol, der mit den in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AlkStV genannten Mitteln vergällt wurde, auch durch natürliche oder juristische Personen steuerfrei hergestellt werden, die nicht über eine förmliche Verwendungserlaubnis verfügen, sofern die Herstellung der Desinfektionsmittel gewerblich erfolgt. Der mit den in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AlkStV genannten Mitteln vergällte Alkohol kann ohne Antrag oder vorherige Anzeige bei der Zollverwaltung direkt beim Hersteller in Deutschland erworben und zur Desinfektionsmittelherstellung eingesetzt werden.“
Desinfektionsmittel dürfen von jedem steuerfrei aus vollständig vergälltem Alkohol (z. B. Brennspiritus) hergestellt werden. Vollständig vergällter Alkohol kann ohne Antrag bei der Zollverwaltung innerhalb der Europäischen Union gekauft und zur Herstellung von Desinfektionsmittel eingesetzt werden. Das gilt übrigens auch für die Verwendung von Isopropylalkohol/2-Propanol/Isopropanol – denn dieser unterliegt ohnehin nicht der Alkoholsteuer.
Bildquelle: Ula Kuźma, Unsplash