Eine Hormonbehandlung mit Oxytocin soll das sexuelle Erleben von Frauen mit Sexualfunktionsstörungen verbessern. Eine Vergleichsgruppe, die nur ein Placebo erhielt, hatte ähnlich verbesserte Werte. Sexuelle Unzufriedenheit könnte somit an fehlender Kommunikation und Alltagsstress liegen.
Das als „Bindungshormon“ bekannte Oxytocin wird auch sexualitätsfördernde Wirkung zugesprochen. Um dies zu untersuchen, verwendeten 30 Frauen in einer acht Monate laufenden Langzeitstudie der Medizinischen Universität Wien Oxytocin-Nasenspray unmittelbar vor dem Sexualakt. Bei den Probandinnen handelte es sich um Frauen mit Sexualfunktionsstörungen (Erregungsprobleme, Orgasmusprobleme, Schmerzen, u.a.). Gemeinsam mit ihren Partnern führten die Frauen ein Tagebuch und beurteilten anhand eines Fragebogens, wie sich der Sex während der Behandlung verändert hatte. Einer Vergleichsgruppe wurde im gleichen Zeitraum Placebo verabreicht. Das Resultat: Zwar verbesserten sich das Sexualleben und die sexuelle Zufriedenheit bei den Frauen unter Oxytocin-Behandlung signifikant, allerdings hatte die Gruppe, die nur Placebo zu sich genommen hatte, ebenfalls deutlich verbesserte Werte.
Das beweist für Projektleiterin Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin der MedUni Wien, wie enorm wichtig die Kommunikation mit dem Partner für die sexuelle Zufriedenheit ist: „Offenbar brachte allein die Tatsache, dass sich die Frauen im Zuge der Studie intensiver mit ihrer Sexualität auseinandersetzten und mit ihrem Partner über Sex sprachen, schon messbare Verbesserungen.“ Daher liegt der Schluss nahe, dass oft nur Missverständnisse den Paaren das lustvolle Erleben ihrer Sexualität verleiden. „Oft ist eher Stress im Alltag die Ursache für sexuelle Beschwerden als irgendein chemischer Mangel im Hormonhaushalt der Frau.“ Daher sei es ratsam, bei sexuellen Problemen möglichst bald ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und der Ursache auf die Spur zu kommen.
Ähnliche Ergebnisse in klinischen Studien zeigte der Wirkstoff Flibanserin, der nun im dritten Anlauf von der US-Zulassungsbehörde FDA zugelassen wurde und im Oktober 2015 unter dem Namen „Addyi“ auf den US-Markt kommt. Dieser medial als Lustpille oder „Viagra für die Frau“ bezeichnete Wirkstoff verändert das Hormongleichgewicht im Gehirn und soll so die Lust der Frau steigern und zu besserem Sex führen. Aber auch hier wurde in der Placebo-Gruppe eine deutliche Verbesserung der Sexualfunktion gesehen. Und dieser Wirkstoff hat unangenehme Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit und Übelkeit und darf nur von Ärzten verschrieben werden, die zur Anwendung eingeschult und eine Berechtigung von der FDA erhalten haben. „Von der Lustpille für die Frau sind wir also weit entfernt“, erklärt Bayerle-Eder und fordert: „Bis zu 40 Prozent der Frauen und über 30 Prozent der Männer leiden an Sexualfunktionsstörungen und damit verminderter Lebensqualität, bei chronisch kranken Patienten sind es sogar bis 90 Prozent. Um den ‚WHO-Kriterien 2006‘ zur Erhaltung der Gesundheit gerecht zu werden, ist es wichtig, der ‚Sexualmedizin‘ in der medizinischen Aus- und Weiterbildung einen wichtigen Stellenwert einzuräumen.“ Originalpublikation: Effect of long-term intranasal oxytocin on sexual dysfunction in premenopausal and postmenopausal women: a randomized trial Dana A. Muin et al.; Fertility and Sterility, doi: 10.1016/j.fertnstert.2015.06.010; 2015