Nadelstichverletzungen vermeiden durch den Einsatz von stichsicheren Instrumenten (SSI)
Mit dem im Mai 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sind zahlreiche Aspekte der medizinischen Versorgung jetzt neu geregelt – unter anderem die Erstattungsfähigkeit von Sicherheitsprodukten für die Pflege. Diese maßgebliche Änderung ist nicht nur für Patientinnen und Patienten von Bedeutung, sondern insbesondere für das medizinische Fachpersonal und Personen, die in der Pflege tätig sind. Neu im TSVG ist die Regelung des rechtlichen Anspruches auf Verordnung und Kostenübernahme von stichsicheren Instrumenten (SSI), die vor Nadelstichverletzungen (NSV) schützen können. So sollen zukünftig auch Kosten für Hilfsmittel erstattet werden, die laut Arbeitsschutz notwendig sind[i], insbesondere, wenn diese Hilfsmittel nicht von den Patienten selbst, sondern von medizinischem Fachpersonal angewendet werden.
Nadelstichverletzungen können schwerwiegende Folgen haben
Ein Blick auf die Situation in Pflegeeinrichtungen und bei Pflegediensten zeigt, wie wichtig diese Neuerung für den Alltag von Menschen, die in der Pflege arbeiten, ist. NSV sind nach wie vor die häufigste Form des Arbeitsunfalls in diesem Bereich. Den meisten Fachkräften widerfährt im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit ein solcher Arbeitsunfall, vielen sogar mehrfach.[ii],[iii] Die akuten und langfristigen Folgen sind im Hinblick einer möglichen Übertragung von Pathogenen wie z.B. Hepatitisviren (B und C) oder dem HI-Virus weitreichend. Eine Infektionsgefahr besteht auch bei kurzen und dünnen Nadeln, wie sie für subkutane Injektionen genutzt werden. Diese können nach der Anwendung infektionsrelevante Gewebepartikel enthalten.[iv],[v] Aufgrund der Häufigkeit der Durchführung subkutaner Injektionen besteht ein besonders hohes Risiko für NSV: So wird die Hälfte aller NSV in Pflegeeinrichtungen auf den Umgang mit Kanülen für die subkutane Injektion, wie Insulin-Pen-Nadeln, zurückgeführt. In vielen Fällen passiert dies durch das so genannte „Re-capping“, dem erneuten Aufstecken einer Schutzkappe auf gebrauchte Nadeln – trotz Verbot.[vi],[vii] Produkte, die durch einen speziellen Mechanismus vor NSV schützen, leisten daher einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit in der Pflege.
Vermeiden von NSV durch den Gebrauch von stichsicheren Instrumenten
Ein Großteil der Unfälle durch Nadelstichverletzungen könnte durch die konsequente Anwendung von Sicherheitsprodukten vermieden werden. Sicherheits-Pen Nadeln verfügen über einen Mechanismus, der die Nadel nach dem Gebrauch automatisch abschirmt und Nadelstichverletzungen während der Anwendung und vor allem auch bei der Entfernung der Nadel vom Pen und bei der Entsorgung weitestgehend minimiert. Daher spricht sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), explizit auch bei Durchführung von subkutanen Injektionen, für den Einsatz von stichsicheren Instrumenten aus.[viii] Durch den Einsatz solcher Sicherheitsinstrumente können nicht nur Nadelstichverletzungen verhindert werden. Auch eine Mehrfachnutzung dieser Einweginstrumente ist somit ausgeschlossen und das Infektionsrisiko so wie die Gefahr von Gewebsveränderungen (Lipodystrophie) sinkt.
TRBA 250 und TSVG: Verordnungen zur Förderung der Sicherheit
In Deutschland sind Schutzmaßnahmen zur Prävention von Stich- und Schnittverletzungen bereits seit 2006 in den Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege (TRBA 250) aufgeführt. Mit der Implementierung der Europäischen Richtlinien zur Prävention von Stich- und Schnittverletzungen in nationales Recht fand der verpflichtende Einsatz von sicheren Instrumenten einen festen Platz in der TRBA 250 mit der Veröffentlichung der Ausgabe März 2014. Diese Schutzmaßnahmen geben unter anderem Empfehlungen ab, welche Maßnahmen der Arbeitgeber für den notwendigen Arbeitsschutz vorzunehmen hat. Dies beinhaltet auch die Bereitstellung von stichsicheren Instrumenten für medizinisches Fachpersonal.[ix] Im Bereich der Pflege wird nun der Anspruch auf die Verordnung solcher Sicherheitsprodukte und damit auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen durch das TSVG neu geregelt: Bei Tätigkeiten mit gegebener Infektionsgefahr besteht explizit auch dann ein Anspruch auf solche Hilfsmittel, wenn diese durch Dritte angewendet werden müssen.[i] So beispielsweise wenn Patienten eine Injektion nicht selbst durchführen können. Gemäß eines vorläufigen Beschlusses des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) zählen subkutane Injektionen zu den Tätigkeiten, bei denen eine Infektionsgefahr durch NSV für Dritte angenommen werden kann.[x] Damit sind Kanülen für die subkutane Injektion, z. B. Insulin-Pen-Nadeln, die in der Pflege verwendet werden, zukünftig erstattungsfähig. Im Idealfall führt die Neuregelung durch das TSVG somit zu einer besseren Ausstattung von medizinischem Personal mit entsprechenden Sicherheitsinstrumenten.
Fazit
Der Einsatz von Sicherheitsinstrumenten minimiert das Auftreten von Nadelstichverletzungen und trägt somit zur Sicherheit von Fachkräften und Patienten bei. Das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz legt jetzt den Grundstein für die Kostenübernahme von Sicherheitsinstrumenten: Diese sind nun bei Anwendung durch Dritte erstattungsfähig. Eine wichtige Grundlage, um medizinisches Fachpersonal und pflegende Angehörige bei Tätigkeiten mit Infektionsgefahr besser zu schützen und Folgeschäden, wie beispielsweise virale Infektionskrankheiten, zu vermeiden.
Literatur:
[i] Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz –TSVG) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/T/TSVG_BGBL.pdf, letzter Abruf 15.10.2019
[ii] Mülder K. Dtsch Ärztebl 2005; 102(9): A-558 / B-473 / C-440
[iii] Fascia P et al. Antimicrob Resist Infect Control 2015; 4(Suppl 1): P96
[iv] Le Floch JP et al., Diabetes Care 1998; 21(9): 1502-1504
[v] Strauss K. Medical Special 2017; 2 :15
[vi] Dulon M et al., Gesundheitswesen 2018; 80(02): 176-182
[vii] Costigliola V et al. Diabetes Metab 2012; 38(Suppl 1): S9-14
[viii] World Health Organization. Guideline on the use of safety-engineered syringes for intramuscular, intradermal and subcutaneous injections in health care settings. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/250144/9789241549820-eng.pdf;jsessionid=988188156FF88F9FE00EAD2AC27459C7?sequence=1 (letzter Abruf: 07.11.2019)
[ix] Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege (TRBA 250). https://www.arbeitssicherheit.de/schriften/dokument/0%3A261231%2C1.html (letzter Abruf: 07.11.2019)
[x] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL): Anspruch auf Hilfsmittel mit Sicherheitsmechanismus zum Schutz vor Nadelstichverletzungen. https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4030/2019-11-22_HilfsM-RL_Schutz-Nadelstichverletzungen.pdf (letzter Abruf: 04.12.19)