Die neoadjuvante Radiochemotherapie verbessert die Erfolgsaussichten einer Operation bei Speiseröhrenkrebs: Lokal fortgeschrittene Tumoren können häufig komplett entfernt werden und die langfristigen Überlebenschancen der Patienten steigen.
In Deutschland erkranken jedes Jahr fast 7.000 Menschen an einem Speiseröhrenkrebs. „Bei der Mehrheit handelt es sich um Plattenepithelkarzinome, die im oberen Abschnitt der Speiseröhre auftreten“, berichtet Prof. Dr. med. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim. Im unteren Abschnitt, am Übergang zum Magen, komme es eher zu Adenokarzinomen. „Diese Tumore können Spätfolge eines jahrelangen Sodbrennens sein und sind in den letzten Jahren deutlich häufiger geworden“, fügt er hinzu. Speiseröhrenkrebs wird oft erst spät erkannt. „Die meisten Patienten befinden sich bei der Diagnose in einem Stadium, in dem eine sichere Heilung nicht mehr möglich ist“, so Wenz. „Bei diesen Patienten hat der Krebs bereits Lymphknoten in der Nähe der Speiseröhre befallen. Eine komplette Entfernung des Tumors mit einer Operation ist dann sehr schwierig.“
Eine Studie der niederländischen Krebsgesellschaft hat untersucht, ob eine Vorbehandlung mit Zytostatika plus einer Bestrahlung die Tumormasse soweit verkleinern kann, dass eine vollständige Entfernung des Tumors möglich wird. Die Chance, dass nach der Operation keine Krebszellen mehr im Tumorgebiet zurückbleiben, steigt mit dieser sogenannten neoadjuvanten Radiochemotherapie von 69 auf 92 Prozent. Dies belegen frühere Veröffentlichungen der Forschergruppe. Sieben Jahre nach der Operation waren von 178 Patienten, die eine neoadjuvante Radiochemotherapie erhalten hatten, noch 69 (39 Prozent) am Leben. Nach einer Operation ohne Vorbehandlung waren es nur 47 von 188 Patienten (25 Prozent). Die neoadjuvante Radiochemotherapie verdoppelte die mittlere Überlebenszeit der Patienten von 24,0 auf 48,6 Monate. Beim Plattenepithelkarzinom stieg sie sogar von 21,1 auf 81,6 Monate, beim Adenokarzinom von 27,1 auf 43,2 Monate. „Dies sind deutliche Verbesserungen, die zahlreichen Patienten die Perspektive eröffnen, den Krebs langfristig zu überleben“, kommentiert Prof. Dr. med. Heinz Schmidberger, Direktor der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Universitätsmedizin Mainz. Die Vorbehandlung verbessert nach Einschätzung des Experten nicht nur die Chancen auf eine erfolgreiche Operation. „Die Strahlentherapie kann verhindern, dass es in der Speiseröhre zu einem Rückfall kommt, die Chemotherapie vernichtet Tumorzellen, die bereits ins Blut übergetreten sind“, erläutert Schmidberger.
Trotz der guten Ergebnisse bleibt die Behandlung von Speiseröhrenkrebs eine der schwierigsten. „Die Kombination aus Bestrahlung und Medikamenten mit einer anschließenden Operation ist für die Patienten strapaziös“, erklärt der Mainzer Experte. „Die Behandlung kommt nur für Patienten infrage, die körperlich belastbar sind und aufgrund ihres Krebsleidens nicht stark an Körpergewicht verloren haben“, fasst Schmidberger zusammen. Originalpublikation: Neoadjuvant chemoradiotherapy plus surgery versus surgery alone for oesophageal or junctional cancer (CROSS): long-term results of a randomised controlled trial. Joel Shapiro et al.; Lancet Oncology, doi: 10.1016/S1470-2045(15)00040-6; 2015