BanLec kann an Zuckerbausteine auf der Virus-Oberfläche binden und dessen Eindringen in die Zelle verhindern. Allerdings wirkt es mitogen. Nun konnte man das Protein so verändern, dass die antivirale Eigenschaft erhalten bleibt und die unerwünschte Zellaktivierung verloren geht.
Nicht nur in Genen und Proteinen, sondern auch in Glykanen sind biologische Informationen gespeichert, die an der Steuerung zahlreicher lebenswichtiger Prozesse beteiligt sind, wie etwa an Zellwachstum, Wundheilung und Immunabwehr. Da die einzelnen Zucker-Bausteine sehr variable Verknüpfungsmöglichkeiten zulassen, ergibt sich eine enorme strukturelle Vielfalt, bei der neben der Abfolge der Bausteine oft auch die Struktur entscheidend für den Informationsgehalt ist. Abgelesen wird dieser Zucker-Code von Lektinen, die an Glykane binden und die entsprechenden biochemischen Reaktionen vermitteln. Auch BanLec gehört zu den Lektinen und bindet spezifisch an Strukturen, die den Zucker Mannose enthalten. Solche Zuckerbausteine kommen auch in einem Oberflächenrezeptor des HI-Virus vor, für das die antivirale Wirkung von BanLec bereits nachgewiesen wurde. Indem BanLec an den Rezeptor andockt, blockiert es das Eindringen des Virus in die Wirtszelle. „Da auch andere Viren Mannose-Bausteine auf ihrer Hülle tragen, etwa Hepatitis C-, Corona- und Influenzaviren, hat BanLec ein hohes Potenzial als Breitbandtherapeutikum gegen Viren“, sagt Hans-Joachim Gabius, Inhaber des Lehrstuhls für Physiologische Chemie an der Tierärztlichen Fakultät der LMU. Allerdings stimuliert BanLec eben auch die Vermehrung von T-Zellen des Immunsystems und kann damit unerwünschte Immunreaktionen und Entzündungen auslösen. Im Fall von HIV könnte dies noch dazu die antivirale Wirkung ins Gegenteil verkehren, da sich das HI-Virus in T-Zellen vermehrt.
Indem das internationale Wissenschaftlerteam an einer einzigen Stelle im Molekül die Aminosäure Histidin gegen die Aminosäure Threonin austauschte, schalteten sie die mitogenen Eigenschaften von BanLec aus. Trotzdem ist das veränderte Lektin weiterhin wirksam gegen HIV, Hepatitis C und Grippeviren, wie weitere Versuche in vitro und in vivo bestätigten. „Wir haben nachgewiesen, dass das modifizierte BanLec zwar noch an T-Zellen bindet, die Zellen aber nicht mehr aktiviert, weil es nicht mehr in der Lage ist, die dafür nötigen Oberflächenrezeptoren zu verbrücken“, sagt Gabius. „Mit der neuen Studie haben wir es erstmals geschafft, einzelne Puzzleteile der Lektin-Zucker-Interaktion zu einem Gesamtbild zusammenzulegen. Dies ist nicht nur für die Wirkstoffforschung ein großer Fortschritt, sondern kann auch unser Verständnis des Zucker-Codes einen wichtigen Schritt weiterbringen.“
Das modifizierte BanLec soll nun auf breiter Basis gegen verschiedene Viren getestet werden. Weiter soll untersucht werden, welche Rezeptoren durch das natürliche beziehungsweise das modifizierte BanLec gebunden werden kann, um deren Wirkungsweise besser zu verstehen. Außerdem wollen die Wissenschaftler auch körpereigene Lektine im Hinblick darauf testen, ob sie für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten optimiert werden können. „Ein Vorteil solcher maßgeschneiderten Lektine wäre auch, dass die Wahrscheinlichkeit von Resistenzen geringer ist, da Zuckerstrukturen konstanter sind als die Proteinstrukturen von Antikörpern“, sagt Gabius. Originalpublikation: Molecular Engineering of a Therapeutic Lectin by Uncoupling Mitogenicity from Antiviral Activity Michael D. Swanson et al.; Cell, doi: 10.1016/j.cell.2015.09.056; 2015