KOMMENTAR | Mit dem Einreiseverbot für Europäer will US-Präsident Trump die Ausbreitung von COVID-19 weiter eindämmen. Seine ungeschickte Rede dazu stößt aber nicht nur Vertreter der Europäischen Union vor den Kopf.
US-Präsident Donald Trump hat einen Einreisestopp für Europäer veranlasst. Darüber informierte er gestern Abend (US-Ortszeit) in einer Fernsehansprache. Das Einreiseverbot soll zunächst für 30 Tage gelten und betrifft sämtliche Reisen aus den Schengenstaaten.
Es umfasst also fast alle Staaten der Europäischen Union (EU) – diese Präzisierung geht allerdings erst aus der zugehörigen Erklärung des Weißen Hauses hervor, Trump vermischt die Begriffe EU und Europa großzügig. Kuriose Außnahme seiner strengen Regelung ist übrigens das Vereinigte Königreich. Das mag am kürzlichen EU-Austritt liegen, oder aber an der engen Freundschaft zweier Politiker. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
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Abgesehen von formalen Auffälligkeiten – der Präsident wirkt müde, seine Sprache ist leicht verwaschen und er holt des Öfteren geräuschvoll Luft – irritiert auch der Inhalt von Trumps Rede.
Während der US-Präsident noch vor wenigen Tagen auf Twitter pöbelte, dass es sich bei der medialen Berichterstattung zur COVID-19-Pandemie um aufgebauschte Fake News und außerdem eine nicht ernstzunehmende Krankheit handle, erklärte er die Situation jetzt zur weltweiten Notlage. So weit, so einsichtig. Krude wird es im weiteren Verlauf, als Trump mehrfach betont, dass keine Nation der Welt so gut auf das Coronavirus vorbereitet sei, wie die USA. Man habe das fortschrittlichste Gesundheitssystem und die besten Ärzte weltweit. Keiner habe so schnell reagiert wie er, kein Wissenschaftlerteam sei so gut wie seins. In Trump-Sprech heißt das schlicht: „Das Virus wird gegen uns keine Chance haben. Keine Nation ist besser vorbeitet oder widerstandsfähiger als die USA.“
Im Umkehrschluss bedeutet das für Trump natürlich, dass die EU bei der Eindämmung des Virus versagt habe. Das betont er mehrfach. Es scheint, als wolle er seine Rede zum weiteren Vorgehen nebenbei auch für Schuldzuweisungen ans Ausland nutzen – China bekommt dabei natürlich auch sein Fett weg, da kommt das Virus ja schließlich her.
Abgesehen davon, dass gegen SARS-CoV-2 jetzt die „aggressivsten und umfassendsten Gegenmaßnahmen jemals“ getroffen würden, bleibt der Präsident insgesamt aber doch sehr vage. Fast beiläufig kommt einzig die Empfehlung, medizinisch nicht relevante Besuche in Altenheimen einzuschränken und als älterer US-Bürger vorsichtig zu sein.
Neben reichlich Pathos („Unsere Zukunft bleibt strahlender als man sich je ausmalen könnte. Indem wir mit Verständnis und Liebe handeln, werden wir die Kranken heilen, uns um Menschen in Notlagen kümmern, unseren Mitbürgern helfen und stärker und vereinter aus dieser Herausforderung hervorgehen, als jemals zuvor.“) ist ansonsten immerhin von wirtschaftlichen Maßnahmen die Rede. Firmen und einzelne Arbeitnehmer, die vom Virus betroffen sind, sollen jetzt zum Beispiel schnell finanzielle Hilfe bekommen.
Von weiteren Anpassungen des öffentlichen Lebens oder den immer weiter steigenden Fallzahlen spricht Trump nicht. Dass das „fortschrittlichste Gesundheitssystem der Welt“ außerdem heftig mit seinen Tests auf SARS-CoV-2 hinterherhinkt, sprechen ebenfalls nur die bösen US-Medien an. Immerhin ein Veranstalter hat in den USA jetzt die Reißleine gezogen: Die National Basketball Association (NBA) hat die aktuelle Saison unterbrochen.
Die EU-Kommission missbilligt unterdessen das Vorgehen und auch die Formulierungen Trumps. Man habe „scharfe Maßnahmen“ gegen die Ausbreitung des Virus ergriffen, zitiert Reuters die gemeinsame Stellungnahme von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel. Die Entscheidung der USA sei ohne Rück- oder Absprachen gefallen. So viel also auch zu Trumps Appell, die Politik in Zeiten von Corona ruhen zu lassen.
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