Ein Virologe fordert, Senioren besser zu schützen und vorsorglich in Umkehrisolation zu nehmen. Warum die Idee gut ist, ich mich aber doch darüber wundere.
Bei der letzten Bundespressekonferenz warnte Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, vor der Hoffnung, dass sich die Rate an Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 verlangsamen werde; der Temperatureffekt sei kleiner als bei der saisonalen Grippe. Im NDR-Podcast rät er, ältere Menschen besser zu schützen.
COVID-19 ist nicht nur für Menschen mit Vorerkrankungen eine Gefahr. „Über 65 steigt die Sterblichkeit rapide an“, sagt Drosten. Zum Hintergrund: In den nächsten Monaten werden sich der Hypothese zufolge noch viele Menschen infizieren. „Wir wollen die Sommerwelle von der älteren Bevölkerung weghalten“, fordert der Experte. Das heißt: Die Kinder sollten ab sofort bis September oder Oktober nicht mehr zu den Großeltern. Und Oma oder Opa tun gut daran, alle sozialen Kontakte abzusagen: keine Grillparty, kein Sport, kein Theater, kein Kino. Umkehrisolation einmal anders.
Drostens Überlegungen könnten hunderte, gar tausende Menschenleben retten. Wer sich zu Hause in selbst auferlegter Klausur befindet, reduziert sein Infektionsrisiko immens – vor allem, wenn die Familie auch noch (ohne direkten Kontakt) Lebensmittel organisiert.
Was mich eher erstaunt: Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts sterben je nach Schwere einer saisonalen Grippewelle Jahr für Jahr mehrere hundert bis über 20.000 Menschen, darunter viele Senioren. Warum rät man dieser Risikogruppe erst in Zeiten neuer Coronaviren, sich zu schützen. Wer gefährdet ist, kann sich gegen Influenza impfen lassen, was viele ablehnen. Soweit, so bekannt. Aber selbst nach der Spritze scheint nicht immer der erforderliche Titer erreicht zu werden. Außerdem zirkulieren nicht nur Influenza-Viren. Besser von Januar bis März zu Hause als tot.
Was gegen Drostens Vorschlag spricht: Wie soll das klappen? Schon jetzt ordnen Behörden an, Kindergärten, Kitas oder Schulen zu schließen. Fallen dann noch die Großeltern weg, wird es schwierig. Denn Firmen haben noch nicht geschlossen. Wer zur Arbeit geht, kann die Kids kaum in der Praxis, im Labor oder Büro parken. Man sieht: Wir haben nicht nur medizinische, sondern auch gewaltige organisatorische Probleme.
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