Mediziner hofften, dass wärmere Tage die Verbreitung von SARS-CoV-2 stoppen könnten. Eine Vermutung, die Wissenschaftler inzwischen widerlegen.
Wie sich das Coronavirus weiter ausbreiten wird, ist reine Spekulation. Anderes bleibt Wissenschaftlern derzeit auch nicht übrig, schließlich handelt es sich um ein neuartiges Virus. Forscher versuchen trotzdem, Vorhersagen zu treffen, indem sie sich das Verhalten schon bekannter Viren anschauen.
Im Fall von Influenza-Epidemien sind die Gründe für saisonale Schwankungen gut untersucht. Grippeviren verbreiten sich in unseren Breitengraden im Winter, wenn die Außenluft kalt und trocken ist, besonders gut. Und das liegt wohl tatsächlich am Wetter.
Aus Laborversuchen weiß man, dass die absolute Luftfeuchtigkeit die Übertragung der Grippeviren stark beeinflusst, wobei trockenere Bedingungen günstiger sind. Diese Erkenntnis aus dem Labor deckt sich mit epidemiologischen Daten aus den USA. Hier beobachtete man, dass der Beginn einer erhöhten Influenza-assoziierten Mortalität im Winter mit einer anomal niedrigen absoluten Luftfeuchtigkeit in den Wochen zuvor in Verbindung steht.
Doch das gilt nur für gemäßigte Zonen. In tropischen und subtropischen Gebieten deuten epidemiologische Daten darauf hin, dass Epidemien häufig während der Regenzeit auftreten. In diesen Gebieten scheint eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit eine Rolle bei der Übertragung zu spielen.
Daher kommt die Vermutung der Autoren, dass sich Grippeviren tatsächlich unter zwei Bedingungen am besten verbreiten: „kalt und sehr trocken“ und „warm und sehr feucht“.
Ein anderer Grund, warum die Grippesaison hierzulande stets in den Winter fällt, ist, dass sich Menschen vermehrt in geschlossenen und schlecht ventilierten Räumen aufhalten. Eine Rolle spielen aber sicher auch die UV-Strahlung und das Immunsystem des Wirts. Eine Hypothese ist, dass wir im Sommer mehr Vitamin D produzieren, was sich wiederum positiv auf das Immunsystem auswirkt und hilft, Viren in Schach zu halten.
All diese Dinge sind sicher auch bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 von Bedeutung. Doch noch lassen sich keine Vorraussagen treffen. Dafür ist das Virus zu neu.
Die Autoren einer Studie, die bereits im Februar veröffentlicht wurde, spekulieren, dass sich das Virus in verschiedenen Klimazonen unabhängig von bestimmten Wetterbedingungen ausbreiten kann. Schließlich steigen die Infektionszahlen sowohl in tropischen Gebieten, wie etwa in Singapur, als auch in Europa gleichzeitig.
Eine aktuelle Veröffentlichung kommt zu dem Ergebnis, dass sich im Frühjahr und Sommer die SARS-CoV-2-Pandemie nicht gemäß der Erwartungen verlangsamen werde. Zuvor hatten portugiesische Forscher ähnliche Befürchtungen geäußert. Basis sind mathematische Simulationen des Krankheitsgeschehens anhand der endemischen Coronaviren HCoV-OC43 und HCoV-HKU1. Die Ergebnisse wurden auf SARS-CoV-2 übertragen.
Prof. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin, kommentiert im NDR-Podcast: „Der saisonale Effekt war nicht so groß wie bei anderen Erkältungsviren. Wir müssen wohl damit rechnen, dass wir trotz steigender Temperaturen direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen werden.“
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