Selbst wenn ein SARS-CoV-2-Infizierter nur leichte Symptome zeigt, streut er massenhaft Viren. Doch wie lang bleiben infizierte Personen ansteckend?
Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, streuen schon kurze Zeit nach der Erstinfektion große Mengen des Virus – auch bei milden Symptomen. Doch offenbar sind diese Patienten nur wenige Tage infektiös. Das ist das Ergebnis einer deutschen Studie.
Das Team aus Medizinern und Virologen aus Berlin und München untersuchte zunächst die Viruslast von neun infizierten Patienten. Zur Diagnose setzten die Ärzte RT-PCR-Tests mit Proben aus Rachenabstrichen ein. Die frühesten Abstriche erfolgten dabei am ersten Tag nach Einsetzen der Symptome – diese waren bei den meisten Patienten mild.
Wie sich herausstellte, war die Viruslast in den frühen Abstrichen hoch (durchschnittlich 6.76 x10⁵ virale RNA pro ml Abstrich), was auf eine mögliche Virusreplikation im Gewebe der oberen Atemwege hindeutet. Nach fünf Tagen ging die Viruslast bei sieben der neun Patienten zurück (5.13 x10³). Nur bei zwei Patienten mit schwererem Verlauf blieb die Viruslast bis Tag 10 bzw. 11 konstant hoch.
Die Ergebnisse decken sich mit den bisherigen Erkenntnissen: Bei SARS-CoV-2 ist die Viruslast in den oberen Atemwegen kurz nach Einsetzen der Symptome am höchsten – selbst wenn die Symptome milde ausfallen.
Das Team fand zudem heraus, dass die Serokonversion bei diesen Patienten relativ schnell nach Erstkontakt mit dem Erreger stattfand. Bereits innerhalb von 6 bis 12 Tagen hatten sich bei den Patienten entsprechende Antikörper gebildet. Das könnte erklären, warum viele Erkrankungen mild verlaufen.
Die Autoren sehen in den Ergebnissen eine Erklärung dafür, warum sich das neuartige Coronavirus so leicht ausbreitet und schwierig einzudämmen ist. Immerhin würden viele Infizierte weiterhin am normalen Leben teilnehmen, weil die Symptome trotz hoher Viruslast nicht so stark seien.
Außerdem verglichen die Forscher das aktuelle Virus mit dem Verwandten Virus SARS-CoV. Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, könnten potentiell mehr infektiöse Viren streuen, weil ihre Viruslast im Vergleich viel höher sei: In den ersten 5 Tagen nach Einsetzen der Symptome sei die Viruslast pro Abstrich bei SARS-CoV-2-Infizierten 1.000 mal höher als bei Patienten, die mit dem verwandten SARS-CoV infiziert waren.
Die Frage ist allerdings, bis zu welcher Viruslast ein Mensch noch als infektiös gilt. Diese Frage lässt sich mit PCR-Tests allein nicht beantworten, weil damit keine vermehrungsfähigen Viren nachgewiesen werden, sondern alleinig virale Fragmente.
Prof. Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum Genf formuliert das Problem: „Wir wissen im Moment noch nicht genau, bis zu welcher Menge Virus-RNA [...] tatsächlich noch eine Infektiösität vorliegt. Um das zu bestimmen, sind aufwendige Tests in Zellkultur in Sicherheitslabors notwendig, die in der regulären Diagnostik nicht geleistet werden können. Dazu sind noch umfassende Studien notwendig.“
Deswegen haben sich die Autoren in der deutschen Studie auch nicht nur auf die PCR-Tests verlassen, sondern auch versucht, die Viren zu isolieren und in Zellkultur zu züchten. Mithilfe dieser Methode lässt sich feststellen, wie lange eine infizierte Person ein Risiko für andere darstellt. Dazu gibt es bislang keine publizierten Daten.
Während die Wissenschaftler aus frühen Rachenabstrichen oder Sputumproben noch Viren züchten konnten, war es ihnen mit Proben, die acht Tage nach Beginn der Erkrankung gesammelt wurden, nicht mehr möglich.
Die Studie legt damit nahe, dass Menschen mit leichten Infektionen zwar noch tage- und sogar wochenlang nach ihrer Erkrankung durch Rachenabstriche positiv getestet werden können, dass aber diejenigen, die nur leicht erkrankt sind, etwa 10 Tage nach Beginn der Symptome nicht mehr ansteckend sind.
Die Autoren schlagen deshalb vor, Patienten mit mildem Verlauf schon früh in die häusliche Quarantäne zu schicken, wenn die Symptome vor mehr als 10 Tagen begonnen haben und die Viruslast weniger als 100.000 virale RNA-Kopien pro ml Sputum beträgt.
Basierend auf den Zellkultur-Ergebnissen sei das Rest-Ansteckungsrisiko durch diese Patienten eher gering. Damit ließen sich die Kliniken entlasten. Einschränkend muss erwähnt werden, dass hier ledigleich neun Patienten untersucht wurden, die Aussagekraft hält sich also in Grenzen.
„Virusnachweis ist eine Sache, aber die klinische Symptomatik eines COVID-19-Patienten eine andere. Solange der Patient hustet, ist er potentiell infektiös und verteilt dadurch seine Erreger“, kommentiert Dr. Nazifa Qurishi. Sie vertritt dabei klar die Perspektive eines Klinikers. „Solange ein Patient Symptome hat, sollte er sich auch zurückziehen und Menschenansammlungen meiden. Solange Virusmaterial exprimiert wird, solange ist auch das Virus im Körper noch aktiv.“
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