SARS-CoV-2: Diese Wirkstoffe haben Potenzial

SARS-CoV-2: Diese Wirkstoffe haben PotenzialNoch gibt es kein Medikament, das gezielt gegen das neuartige Coronavirus eingesetzt werden könnte. In einer Übersicht stellen wir euch diejenigen Substanzen mit dem größten Potenzial vor.Virustatika

Remdesivir ist ein Nukleosidanalogon, das gegen Ebola- und Marburgviren entwickelt wurde. Befunde in Zellkulturen sprechen für eine Aktivität gegen unterschiedliche Coronaviren, auch gegen SARS-CoV-2. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehören Ribavirin, Favipiravir.

Camostat gehört zu den Serinproteaseinhibitoren. Der Wirkstoff wird bereits in Japan zur Behandlung der chronischen Pankreatitis eingesetzt und zeigt sich im Einsatz gegen SARS-CoV-2 in Zellkulturen vielversprechend (wir berichteten).

Ein weiterer vielversprechender Kandidat ist das zu den Cysteinproteaseinhibitoren gehörende Aloxistatin.

Galidesivir (BCX4430) ist ein experimentelles Virostatikum aus der Gruppe der Adenosinanaloga. Im Zuge der Ebolafieber-Epidemie 2014 wurde es entwickelt und untersucht.

CR-31-B, ein experimentelles Virustatikum, wirkt in Zellen gegen HCoV-229E und MERS.

Bei der Behandlung von HIV kommt der Proteaseinhibitor Nelfinavir zum Einsatz. Weitere Substanzen aus der Gruppe sind Indinavir, Lopinavir/Ritonavir, Saquinavir und Darunavir

Besonders gut ist die Datenlage beim Proteinase-Inhibitor Ritonavir. Daten aus Phase-III-Studien gibt es zu MERS.

Man experimentiert außerdem mit Oseltamivir, einem Neuraminidasehemmer sowie dem Fusionsinhibitor Umifenovir.

Antiparasitika

Nitazoxanid ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Antiparasitika. Tierversuche deuten auf eine Wirksamkeit gegen MERS hin.

Niclosamid wird bei Infektionen mit diversen Würmern verordnet, u.a. bei der Bilharziose. Andersen berichtet über eine Aktivität gegen SARS in Zellkulturen.

Das bekannte Malariamittel Chloroquin rückt HCoV-OC43, SARS und SARS-CoV-2 in Zellkulturen auf den Leib. HCoV-OC43 verursacht teils erkältungsähnliche Symptome, teils schwere Lungeninfektionen.

Eflornithin ist ein Arzneistoff gegen die Schlafkrankheit, bekämpft in Zellkulturen aber auch MERS.

Antibiotika

Mycophenolsäure ist ein sehr altes Antibiotikum, das heute als Immunsuppressivum verwendet wird. In Zellkulturen zeigen sich Effekte gegen SARS und gegen das Coronavirus HCoV-OC43.

Monensin, ein Polyether-Antibiotika, wurde lange Zeit gegen Geflügelerkrankungen eingesetzt. In neuem Glanz könnte es gegen HCoV-OC43 und MERS erstrahlen; Hinweise gibt es aus Zellkulturen.

Oritavancin, Dalbavancin und Teicoplanin sind Glycopeptid-Antibiotika zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen, sollen aber auch MERS und SARS in Zellen inhibieren.

Telavancin ist ein bakterizides Lipoglycopeptid mit möglichem Einsatzbereich bei MERS und SARS. Auch hier stammen die Daten Experimenten mit Zellkulturen.

Zytostatika

Gemcitabin wirkt als Analogon des Nukleosids Cytidin. Es wird als Zytostatikum verwendet und wirkt gegen SARS bzw. MERS in Zellkulturen.

Navitoclax (ABT-263) untersuchen Forscher als experimentelles Zytostatikum, das Apoptose induziert. Aktuell wird über seine Wirksamkeit gegen MERS in Zellkulturen berichtet.

Silvestrol, ein Naturstoff, wurde als Krebsmedikament untersucht. Auch bei Ebola stand das Molekül im Rampenlicht. Jetzt geht es um HCoV-229E und MERS auf Basis von Zellkulturen.

Noch ein Griff in die Onkologie-Trickkiste: Omacetaxin-Mepesuccinat (Homoharringtonin) verordnen Ärzte bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Hinweise aus Zellexperimenten sprechen für eine Wirkung gegen MERS.

Aus der Onkologie kennt man Imatinib. Ärzte setzen den Proteinkinaseinhibitor zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) ein. Auch gegen MERS und SARS könnte Imatinib wirken (Daten aus Zellkulturen).

Nicht zuletzt nennt die Studie Trametinib, einen Kinaseinhibitor, der bei Melanomen zum Einsatz kommt. Laut Zellkultur-Experimenten könnte Trametinib auch bei MERS eingesetzt werden.

Weitere Substanzen

Ärzte kennen Ciclosporin als Immunsuppressivum. Es bekämpft in Organoiden von Primaten MERS-Infektionen.

Als Emetikum hat Emetin, ein Alkaloid aus der Brechwurzel, eine lange Geschichte. Es wurde auch bei Zika- und Ebolavirus-Infektionen untersucht. Aktuell steht es wegen seiner Effekte gegen HCoV-OC43 (Zellkultur) und MERS (Tiermodell).

Luteolin gehört zu den Flavonen. Bei SARS-infizierten Zellen fand man eine Wirkung.

Glycyrrhizin oder Glycyrrhizinsäure kommt in der Süßholz-Wurzel vor. Andersen schreibt auf Basis seiner Literaturanalyse, Glycyrrhizin wirke in Zellkulturen gegen SARS.

Emodin ist eine chemische Verbindung, die aus Rhabarber, Sanddorn und japanischem Knöterich isoliert werden kann. Veröffentlichungen zeigen eine Wirksamkeit gegen SARS in Zellkulturen.

Kardiologen kennen Amiodaron als Antiarrhythmikum. Jetzt geht es um SARS; Belege finden sich in Experimenten mit Zellkulturen.

Alisporivir wirkt als Immunsuppressivum – und vielleicht auch gegen HCoV-229E, MERS und SARS (Hinweise aus Zellkulturen).

Aus einer ganz anderen Ecke kommt Hexachlorophen. Der chlorierte Kohlenwasserstoff wirkt stark bakterizid gegen gram-positive Bakterien. In Zellen bekämpft er MERS.

Der nächste Kandidat ist Nafamostat, ein synthetischer Serinproteaseinhibitor, mit Effektivität gegen MERS in Zellkulturen.

Auch zu Memantin, bekannt aus der Alzheimer-Therapie, gibt es Daten. In Zellkulturen bekämpft das Molekül HCoV-OC43.

Indometacin, das bekannte nichtsteroidale Antirheumatikum, geht in Zellen SARS an den Kragen.

Viele Moleküle, viele Ideen, ein HintertürchenInwieweit sich Daten von MERS oder SARS auf das neuartige Coronavirus übertragen lassen, weiß niemand. Doch die weitere Strategie ist klar: Man wird eher Substanzen mit vorhandener Zulassung bei einer anderen Indikation untersuchen. Denn hier kennt man alle möglichen Nebenwirkungen – und geht nur geringe Risiken ein.Sollte es zum Schlimmsten kommen, sieht das Arzneimittelgesetz, § 79 Absatz 5 und 6 vor, Pharmaka zeitlich befristet auch ohne reguläre Zulassung einzusetzen. Dieser Weg ist sicher als Ausnahme zu betrachten, etwa bei sehr schwerem Krankheitsverlauf.
Quelle: Discovery and development of safe-in-man broad-spectrum antiviralagents. Andersen PI et al., International Journal of Infectious Diseases, doi:10.1016/j.ijid.2020.02.018; 2020. Bildquelle: freestocks, Unsplash