Hat das Coronavirus eine Zelle infiziert, produziert sie nach seiner Anleitung ein ganzes Arsenal von raffinierten Hilfsenzymen: die so genannten Nichtstrukturproteine (NSPs). Ein Überblick.
Das Coronavirus besitzt ein Genom von rund 30.000 Nukleotiden, entsprechend einem Speicherplatz etwa 10 kbyte - eine ziemlich kompakte Bauweise. Denn schließlich muss das Ganze ja in einem kleinen Paket von nur 100 Nanometern untergebracht werden.
Ein großer Teil des Genoms kodiert Nichtstrukturproteine, also Eiweiße, die im fertigen Viruspartikel gar nicht vorkommen. Sie dienen nur dazu, die Virusproduktion in der Wirtszelle zu optimieren. SARS-CoV-2 packt die meisten dieser Proteine in einem großen Polyprotein zusammen, dass man als ORF1ab bezeichnet. Es besteht aus etwa 7.000 Aminosäuren. Die einzelnen Proteine sind dabei nicht, wie in der menschlichen DNA üblich, durch Stopcodons getrennt. ORF1ab wird in einem Rutsch als lange "Wurst" produziert und erst später in kleinere Proteine zerschnitten. Dieses Vorgehen erspart es dem Virus, die Synthese verschiedener Proteine aufwändig zu koordinieren. Sie werden immer in einem festen Verhältnis erstellt.
Das Polyprotein ORF1ab besteht aus etwa 15 Einzelproteinen, die fortlaufend als NSP1, NSP2, NSP3 usw. durchnummeriert werden.
Eine zentrale Rolle spielt NSP12, eine RNA-Polymerase, die Kopien der Virus-RNA anfertigt. Da diese RNA-Produktion eine Starthilfe braucht, hat SARS-CoV-2 mit NSP7 und NSP8 auch eine Primase im Gepäck. Die Helikase NSP13 wickelt die RNA nach erfolgreicher Replikation auf. Die Rolle von Schneidewerkzeugen für das Polyprotein übernehmen Proteasen wie NSP3 und NSP5. Andere NSPs unterstützen die Bildung von Vesikeln und Autophagosomen, was für die Bildung der Virushülle wichtig ist.
Einen besonders tückischen Trick hat das der Coronavirus mit den Nichtstrukturproteinen NSP14 und NSP16 im Ärmel. Bei ihnen handelt es sich um Methyltransferasen, welche die "Cap-Region" der Virus-RNA so verändern, dass sie der menschlichen mRNA ähnelt. Auf diese Weise unterläuft das Virus Immunmechanismen der Zelle. Denn letztere verfügt über so genannte Pattern-Recognition-Rezeptoren, die fremde Virus-RNA normalerweise erkennen und daraufhin die Interferonproduktion ankurbeln. SARS-CoV-2 maskiert seine mRNA so, dass dieser Mechanismus ins Leere läuft.
Nicht alle Funktionen der verschiedenen NSPs sind bereits bekannt, da die Detailabläufe der Virusreplikation in der Zelle nur mühsam zu entschlüsseln sind. Die Grundlagenforschung hat hier jedoch in den letzten Jahren einen deutlichen Satz nach vorne gemacht. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass effektive Virostatika entwickelt werden, die an den Nichtstrukturproteinen angreifen.