Wie gut sind eigentlich unsere Kliniken auf die Corona-Epidemie vorbereitet? Auf den ersten Blick wirkt die Planung umfassend und gründlich. Schaut man genauer hin, offenbaren sich aber schwerwiegende Lücken.
Eine Studie in der Fachzeitschrift The Lancet vermutet jetzt einen Zusammenhang zwischen der Mortalität von COVID-19 und der medizinischen Infrastruktur im chinesischen Hubei. Dort heißt es: „Eine tiefgehende Analyse der Daten [des China CDC] zeigt eine eindeutige Abweichung der Mortalitätsraten in Wuhan (> 3 %), verschiedenen Regionen Hubeis (durchschnittlich etwa 2,9 %) und anderen Provinzen Chinas (durchschnittlich etwa 0,7 %).“
Die Studienautoren sehen hier eine Assoziation zwischen Infektionszahlen in einer Region, der daraus resultierenden unzureichenden Menge an Ressourcen der medizinischen Versorgung und dadurch gesteigerten Mortalität von COVID-19. In Anbetracht der stetig steigenden Fallzahlen weltweit ist das eine beunruhigende Feststellung. Und angesichts der ebenfalls zunehmenden Zahlen in Deutschland und Europa wirft das die Frage auf: Wie gut sind eigentlich unsere Kliniken auf die Corona-Epidemie vorbereitet?
Laut der BZ sind der Klinikkonzern Vivantes und die Charité – als große Berliner Krankenhausträger – auf Patienten mit dem neuen Coronavirus eingestellt. Vivantes habe sogar eine eigene Taskforce dazu eingerichtet. Hier werden in erster Linie die Bereiche Hygiene, Infektiologie, Klinikmanagement und Katastrophenschutz diskutiert. Anleitungen zum Umgang mit Verdachtsfällen, infizierten Patienten und der richtigen Schutzkleidung sollen dort festgehalten werden.
Die Charité habe einen Pandemiestab für COVID-19 eingerichtet und orientiere sich an einem Pandemieplan, der noch auf die H1N1-Pandemie von 2009/10 zurückgehe. Uni-Kliniken und Krankenhäuser haben darüberhinaus persönliche Schutzausrüstungen aus Atemschutzmasken, Kitteln und Handschuhen angeschafft. Einzelne Stationen und Häuser der Charité sollen freigezogen werden, sollte es viele Infektionsfälle mit SARS-CoV-2 geben. Eine eigene Isolierstation werde in der Vorbereitung aber nicht berücksichtigt, schreibt die BZ.
Essenziell ist natürlich, dass das Klinikpersonal genau weiß, was zu tun ist, wenn ein infizierter Patienten eingeliefert wird. Christoph Lübbert, Leiter der Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum St. Georg sowie des Bereichs Infektions- und Tropenmedizin am Uniklinikum Leipzig, erklärt gegenüber der Zeit, dass auch das korrekte Ausziehen der Schutzkleidung zu beachten ist.
„Wenn man bei der Entnahme eines Abstrichs zum Beispiel angehustet wurde, dann ist die Brille kontaminiert, und wenn man die dann mit nackten Händen anfasst und sich danach ins Gesicht fasst, dann infiziert man sich trotz der ganzen Ausrüstung“, so der Experte.
Im Idealfall werden Patienten, die möglicherweise oder bestätigt mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind, in einem Schleusenzimmer untergebracht. Das betreffe auch die gesicherte Entsorgung des dort entstehenden Abfalls. Aber sind deutsche Kliniken so umfassend vorbereitet? Fragt man Experten zu den Details, werden einige Lücken in der vermeintlich guten Planung sichtbar.
Die Personaldecke könne sich zudem jederzeit durch Infektionen beim Klinikpersonal selber weiter ausdünnen, warnt Joachim Seybold, stellvertretender ärztlicher Direktor der Charité in Berlin. „Uns muss klar sein, dass natürlich auch Personal erkranken kann und damit im schlimmsten Fall viele Infektionspatienten auf wenig Personal treffen“, zitiert ihn die Zeit.
Schon jetzt gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzkleidung (DocCheck berichtete) und wie viele Isolierbetten es tatsächlich in Deutschland gibt, ist offenbar unklar.
Genauso wichtig ist die Zahl der Betten mit Beatmungstechnik – COVID-19 ist eine Lungenkrankheit. Von den etwa 28.000 Beatmungsbetten in Deutschland könnten aber vermutlich nur 10–15 % kurzfristig bereitstehen, befürchtet ein Arzt im Interview mit der Zeit – das liege auch an der zeitlichen Überschneidung mit wintertypischen Lungenerkrankungen. Das bestätigt ein Corona-Experte im Tagesspiegel, der interessanterweise ungenannt bleiben möchte.
Spätestens, wenn Grippewelle und Corona-Epidemie zusammenfallen, werden deutsche Krankenhäuser restlos überlastet sein, sind sich nahezu alle interviewten Experten einig.
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