In Deutschland und Österreich gibt es neue Fälle von Infektionen mit SARS-CoV-2. Doch Politiker beschwichtigen lieber, als sinnvolle Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Warum ich mich an diesem Vorgehen störe.
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 breitet sich weiter aus. Laut Zahlen der Johns Hopkins CSSE haben sich mehr als 81.000 Menschen infiziert und mehr als 2.700 sind gestorben (26.2.2020, 11:00 Uhr). Doch längst haben Coronaviren Chinas Grenzen überschritten und sind in Europa angekommen. Nach zahlreichen Fällen in Norditalien sind auch Österreich und Deutschland betroffen. Ein Patient kommt aus Baden-Württemberg, ein anderer aus Nordrhein-Westfalen.
Für Experten ist klar: Eine Pandemie wird immer wahrscheinlicher. So hat sich unter anderem auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zu Wort gemeldet. Eine Pandemie lasse sich nicht mehr ausschließen, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung kurz und eindeutig. Doch aus Berlin kommen nur einmal mehr beruhigende Worte. Jetzt wäre noch Zeit, jetzt könnte man noch handeln. Stattdessen: Leere Worthülsen.
„Das Coronavirus zeigt einmal mehr, dass Europa seine Aufgaben nur gemeinsam bewältigen kann“, erklärt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Nur so können wir voneinander über das Virus lernen. Spahn: „Klar ist: Nationale Alleingänge ergeben keinen Sinn. Das Virus macht vor Landesgrenzen nicht halt. Auch Grenzschließungen helfen da nicht weiter.“
Schön und gut – sein Maßnahmenpaket mit einem besseren Informationsaustausch auf EU-Ebene und mit mehr Informationen für Reisende soll Bürger beruhigen. Nicht mehr, nicht weniger. Denn wieder einmal verschenkt die Politik wertvolle Zeit. Das wäre jetzt zu tun:
Zwar gibt sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft optimistisch. „Krankenhäuser und Ärzte sind sensibilisiert“, so Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Bei Patienten, die über akute Erkältungssymptome klagen und kürzlich in China waren, wird eine zielgerichtete Anamnese durchgeführt.“ Lasse sich der Verdacht nicht ausräumen, werde der Patient in einem Krankenhaus isoliert, auf das Virus getestet und umfangreich untersucht. Krankenhausalarmpläne würden die genaueren Abläufe bei außergewöhnlichen Lagen in den Bundesländern regeln.
Doch nicht alle Experten sehen eitel Sonnenschein. Laut DIVI müsse mit einem beträchtlichen Aufkommen intensivstationär zu versorgender Patienten gerechnet werden. Intensiv- und Notfallmediziner wünschen sich bundesweit tagesaktuelle Meldungen der Behandlungskapazitäten. Das kann per ARDS-Netzwerk geschehen; derzeit sind hier 85 Kliniken vertreten.
„Neben den medizinischen Aspekten, die im Falle einer Pandemie auf uns zukommen, ist die psychologische Komponente bei einem punktuell nicht auszuschließenden Massenanfall von Patienten eine ganz wesentliche Herausforderung“, ergänzt Karagiannidis. „Deswegen ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter im Gesundheitswesen auch als Meinungsmultiplikatoren sehen und zu Ruhe und Besonnenheit aufrufen, statt sich von Hysterie und reißerischer Stimmungsmache treiben zu lassen.“
Bislang zahlen GKVen nur PCR-Tests auf SARS-CoV-2, sollte es begründete Verdachtsmomente geben, etwa aufgrund von Reisen oder Kontakten mit Infizierten. Prof. Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg schlug vor, flächendeckend alle Grippefälle und schweren Erkältungen auch auf SARS-CoV-2 zu testen: „Das ist die einzige Möglichkeit, quasi ein Netz über Deutschland zu legen und so einen einzelnen Fall oder einen kleinen Ausbruch frühzeitig zu erkennen.“ Darüber sollte jetzt diskutiert werden, nicht nur über elitäre Treffen auf europäischer Ebene.
Wie eine SARS-CoV-2-Pandemie in Deutschland ablaufen wird, kann zwar niemand sagen. Trotzdem sollte die Regierung keine virtuellen Beruhigungspillen verteilen, sondern Menschen aufklären.
Noch ist es nicht zu spät.
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