Ob Edgar Allan Poe sich umgebracht hat oder nicht, ist eine bisher ungeklärte Frage. Jetzt soll es eine Antwort geben: Ein Computer hat Poes Werke analysiert und sein Suizidrisiko berechnet.
Das Makabere und Mysteriöse in Poes Werken fesselt seine Leser. Und auch der Schriftsteller selbst übt auf viele eine Faszination aus. Hat Edgar Allan Poe Selbstmord begangen oder nicht? Auf die Frage, über die Literaturwissenschafter schon lange rätseln, könnte es jetzt eine Antwort geben. Die Lösung soll ein Computersystem liefern, das die Sprache in Poes Werken analysiert hat.
Er war Autor, Dichter, Herausgeber und Literaturkritiker in einem. Im Jahr 1849 starb Poe im Alter von 40 Jahren, nachdem er aufgrund eines Delirs einige Tage im Krankenhaus verbracht hatte. Der Rest ist Spekulation, denn sowohl sämtliche Behandlungsunterlagen als auch die Sterbeurkunde gingen verloren.
Seitdem ist der mysteriöse Tod des Autors ein Enigma, um das sich unzählige Mythen ranken. Es gibt viele Theorien über Poes Ableben, so vermutet etwa Dichter und Kollege Charles Baudelaire, dass es sich um einen Suizid handelt, den Poe seit langer Zeit geplant hatte.
„Mein Gefühl ist, dass er zwar tatsächlich gegen Ende seines Lebens in eine Depression schlitterte, sich aber nicht umgebracht hat“, sagt Psychologe Dr. Boyd von der Lancaster University in einem Bericht. Doch er wollte es genau wissen. Zusammen mit seinen Kollegen und Hannah Dean von der University of Texas at Austin untersuchten das Werk Poes in Hinsicht auf psychologische Marker für Depression.
Sie kamen zu der Erkenntnis, dass diese nicht mit Suizid übereinstimmen. Wie aussagekräftig dieses Ergebnis tatsächlich ist, sei erstmal dahingestellt. Der Nerd-Faktor geht hier klar vor. Auf welche Weise versuchten die Forscher also, das Rätsel zu lösen?
Insgesamt liefen 309 persönliche Briefe, 49 Gedichte und 63 Kurzgeschichten durch das Analyseprogramm. Dabei hielt der Computer danach Ausschau, ob im Leben des Autors und vor allem in seinen letzten Lebensjahren ein Muster an linguistischen Hinweisen auf Depression und Suizidgedanken erkennbar ist.
Um dies zu messen, konzentrierten sich die Psychologen auf fünf etablierte Faktoren, die im Rahmen der Diagnostik von Depression und/oder Suizidalität existieren:
Aus der Sprachforschung ist bekannt, dass depressive Sprachmuster sich in schlechten Lebensphasen dramatisch verstärken und einen Höhepunkt erreichen, wenn es tatsächlich zu einem Suizid kommt. Die linguistischen Marker für eine Depression schossen während negativer Ereignisse in Poes Leben nach oben, wie zum Beispiel als seine Frau Virginia Clemm Poe im Jahr 1847 verstarb. Allerdings ist dieses Muster in Poes letzten Lebensjahren nicht durchgehend konsistent.
Poe soll immer wieder Perioden von schwerer Depression erlebt und außerdem Drogen- und Alkoholprobleme gehabt haben.
„Zwar konnte weder eine durchgehende depresive Störung festgestellt werden, noch scheint der Suizid als Todesursache wahrscheinlich“, so das Forscherteam. „Lingistische Aspekte sprechen allerdings für das Vorhandensein von einigen potenziellen depressiven Episoden während des Lebens von Poe, z.B. während der Phasen seines größten Erfolgs sowie nach dem Tod seiner letzten Ehefrau.“ Diese Höchstwerte wurden in den Jahren 1843, 1845 und 1849 verzeichnet.
Bewiesen ist durch diese neuen Erkenntnisse natürlich nichts. Darüber, ob Poe Suizid begangen hat oder nicht, darf also weiterhin gerätselt werden.
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Bildquelle: Sergio Ibannez, unsplash