Bei der Verbreitung des neuen Coronavirus könnten auch Klimaanlagen eine entscheidende Rolle spielen. Wird das Risiko der aerogenen Infektion bisher unterschätzt?
Beim neuen Coronavirus werden viele Erinnerungen an SARS wieder wach. In Honkong passierte damals ein folgenschwerer Zwischenfall: Ein 26-jähriger Patient wurde im März 2003 stationär behandelt. Zwischen dem 11. und dem 25. März 2003 erkrankten durch diesen Indexpatienten wahrscheinlich 138 Personen: 69 Mitarbeiter des Klinikums, 16 Medizinstudenten und 53 andere Patienten beziehungsweise Besucher.
„Das SARS-Virus wurde hauptsächlich durch engen persönlichen Kontakt und die Übertragung großer Tröpfchen verbreitet“, fassen die Studienautoren zusammen. Als Grund nennen sie den fehlenden Schutz vor aerogenen Infektionen. Damit sind Infektionen gemeint, die über den Luftweg (aerogen) übertragen werden. Viren werden per Tröpfchen oder per Staubpartikel verteilt und eingeatment und infizieren andere Menschen. Dabei geht es um die Einatmung von Partikeln mit einer Größe von weniger als 5 µm. Ein Aspekt ist in dem Zusammenhang wesentlich: Ohne geeignete Filter zirkulieren die Erreger in Klimaanlagen und werden weiträumig verteilt.
Dieser einstige Vorfall in Hongkong erinnert stark an die jüngsten Ereignisse auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess. Unter rund 3.000 Passagieren und 1.000 Crewmitgliedern kam es zu mehr als 690 Infektionen. Die Gründe bleiben unklar. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte Peter Walger von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, eine „gute Aufarbeitung" der Situation sei erforderlich. Experten müssten prüfen, inwieweit möglicherweise Fehlverhalten von Passagieren und Crew, beengte Verhältnisse sowie Klima- und Sanitäranlagen das Infektionsgeschehen beeinflusst haben. Aerogene Infektionen kommen als Erklärung infrage. Schmierinfektionen aber auch: Die indirekte Übertragung von Krankheitserregern erfolgt dann durch Berührung eines Gegenstandes, der mit infektiösen Körpersekreten, wie Speichel, Urin oder Stuhl kontaminiert ist. Die Mikroorganismen werden durch die Berührung abgestreift und gelangen dadurch auf die Haut oder Schleimhaut des Wirtsorganismus und werden von ihm inkorporiert.
„Auf Kreuzfahrtschiffen gibt es soweit ich weiß keine Klimaanlagen mit Hepa-Filtern“, sagt Prof. Dr. Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing. „Das würde bedeuten, eine Infektion könnte dort auch über geschlossene Räume erfolgen.“ Ein bisher unterschätztes Risiko sei die Infektion über Fäkalien. Man habe in Stuhlproben per PCR-Diagnostik in der Initialphase von COVID-19 „durchaus relevante Mengen von SARS-CoV-2“ nachweisen können. Wendtner: „Es wäre also durchaus denkbar, dass es selbst beim Toilettengang im Kreuzfahrtschiff zu Infektionen kommen kann oder auch nur über gemeinsam benutzte Toiletten.“
Ähnliche Rätsel zur Übertragung wirft die Kohorte aus Süddeutschland auf. Ein 33-jähriger Geschäftsmann, berichtete am 24. Januar 2020 von grippeähnlichen Symptomen. Die lokale Epidemie führte zu 14 Infektionen. Wie sich später herausstellte, standen alle Fälle mit einer Kollegin aus China als Indexpatientin in Zusammenhang. Bei ihrer Einreise hatte sie keine Beschwerden, war aber schon kontagiös. Einige Infizierte berichteten von marginalem Kontakt; sie seien bloß mit der Kollegin in einem Raum gewesen. Andere hätten ihr die Hand geschüttelt und sich darüber angesteckt.
Bleibt als Fazit: Bislang gibt es vor allem aus epidemiologischen Studien Hinweise, dass das neuartige Influenzavirus hoch ansteckend ist und per Schmierinfektion bzw. per aerogener Infektionen übertragen wird.
Zwar fehlt noch die Kausalität. Trotzdem wäre Vorsicht angebracht. Und die vermisst man derzeit vor allem in China: Ein Notfallkrankenhaus, das innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wird, erfüllt wohl kaum höchste Sicherheitsvorkehrungen. Es wird sich zeigen, ob vermehrt nosokomiale Infektionen auftreten.
Bildquelle: Simone Hutsch, unsplash