Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben, erzählen oft von einem glücklichen Gefühl, das sie dabei erlebt haben. Woher kommt das?
Manchmal, so berichten Palliativmediziner, beobachtet man bei Menschen in den letzten Momenten ihres Lebens einen strahlenden, begeisterten Gesichtsausdruck. Und das trotz starker Schmerzen in den Stunden zuvor. Könnte das unmittelbare Lebensende von einem euphorischen Gefühl begleitet sein?
Wie sich Sterben wirklich anfühlt, weiß niemand. Aber immerhin gibt es Menschen, die schon mal einen Fuß ins Jenseits gesetzt haben und wieder zurückgekehrt sind, etwa durch Wiederbelebungen nach einem Herzstillstand. Berichte über solche Nahtoderfahrungen kennt jeder: Oft ist es ein Licht am Ende des Tunnels, von dem sich der Sterbende magisch angezogen fühlt, mal eine außerkörperliche Erfahrung oder ein Film über das eigene Leben, der im Schnelldurchlauf vorbeizieht.
Viele dieser Erzählungen haben etwas gemeinsam: Betroffene erleben ein Gefühl der Glückseligkeit und des Friedens. Das haben belgische Wissenschaftler um den Neurologen Steven Laureys in einer kürzlich veröffentlichten Studie ebenfalls zeigen können. Mittels Text-Mining haben sie die Erzählungen von Betroffenen analysiert. Das Ergebnis: Die meisten Probanden benutzen positiv besetzte Wörter wie „leicht“ und „gut“ in ihren Erzählungen. Seltener kamen Wörter wie „Angst“ und „tot“ vor.
Als Erklärung für dieses Glücksgefühl führt man oft die veränderte Funktionsweise des Gehirns an. Demnach soll der Stress des Sterbeprozesses zur massiven Freisetzung von Neurotransmittern, etwa Endorphinen oder Serotonin führen. Bei sterbenden Ratten konnten Psychiater und Neurowissenschaftler von der Charité tatsächlich eine erhöhte Serotonin-Ausschüttung messen. Beim Menschen könnte das ganz ähnlich ablaufen. Das hat nur noch niemand untersucht.
Hat das Herz endgültig aufgehört zu schlagen, wird das Gehirn nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Doch die neuronale Hirnaktivität nimmt keinesfalls sofort ab, sondern steigt kurz nach dem Herzstillstand nochmal extrem an. Auch das konnte man bei Ratten zeigen. Die Neurowissenschaftler dieser Studie vermuten, dass die gesteigerte Aktivität der Ursprung von Nahtoderfahrungen ist. Das Gehirn sei noch ein letztes Mal aktiv und erzeuge die als äußerst real empfundenen Erlebnisse.
Auch dafür, warum es bei vielen Betroffenen einer Nahtoderfahrung zu ähnlichen visuellen Erfahrungen kommt, haben Forscher eine Erklärung. Demnach soll eine Schädigung des bilateralen Occipitallappens dazu führen, dass Betroffene Lichterscheinungen oder ein Licht am Ende eines Tunnels sehen. Der Occipitallappen enthält den visuellen Cortex. Eine Schädigung von ein- oder beidseitigen Temporallappenstrukturen wie des Hippocampus und der Amygdala soll wiederum zu emotionalen Erfahrungen oder Erinnerungsrückblenden führen.
Sterben scheint gar nicht so schlimm zu sein, wie manchmal befürchtet. Das behaupten zumindest viele der Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben. Sie hätten nach ihrer Erfahrung sogar weniger Angst vor dem Tod und Frieden mit der Endlichkeit ihres Lebens geschlossen. Eine beruhigende Vorstellung.
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