Wenn alle Deutschen gesetzlich versichert wären, dann wäre das Gesundheitssystem solidarischer und gerechter. Aber könnte es überhaupt überleben, so ganz ohne Privatpatienten?
Privatpatienten seien gesünder als gesetzlich Versicherte, heißt es in einer aktuellen von der Bertelsmannstiftung beauftragten Studie „Geteilter Krankenversicherungsmarkt“. Gleichzeitig würden Privatversicherte im Durchschnitt 56 Prozent mehr verdienen als gesetzlich Versicherte. Das macht sie für die Versicherungen natürlich als Beitragszahler attraktiv.
Aber laut der Bertelsmannstiftung gehen genau diese Beiträge – rund neun Milliarden Euro – der Solidargemeinschaft momentan durch das duale Krankenkassensystem verloren. Das duale System kostet die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) umgerechnet 145 Euro je Mitglied pro Jahr. Den Ergebnissen zufolge könnten die Beiträge der GKV für alle Mitglieder um bis zu 0,6 Prozentpunkte sinken, wenn alle Deutschen von nun an gesetzlich versichert wären.
Dabei sind aber noch nicht die Honorarverluste der Ärzte und Krankenhäuser einbezogen, welche natürlich beachtlich wären, wenn es keine Privatversicherten mehr gäbe. So falle die Vergütung für niedergelassene Ärzte bei der Behandlung von Privatpatienten in etwa 2,5-fach höher aus. Bezieht man diese Verluste in die Rechnung mit ein, blieben noch Ersparnisse von 48 Euro jährlich pro Mitglied.
„Nur wenn sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, kann eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen,“ betont Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmannstiftung in der entsprechenden Pressemitteilung.
„Die Aufspaltung der Krankenversicherung in einen gesetzlichen und einen privaten Zweig wird diesem Solidaranspruch nicht gerecht und schwächt den sozialen Zusammenhalt“, so Mohn weiter.
Zuletzt haben mehr Versicherte von der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung gewechselt als andesherum. Dieser Trend bereitet den gesetzlichen Versicherern zunehmend Sorgen. Die Bertelsmannstiftung sieht eine deutliche Ersparnis für die Beitragszahler, die somit verloren geht. „Der durchschnittliche GKV-Versicherte zahlt jedes Jahr mehr als nötig, damit sich Gutverdiener, Beamte und Selbstständige dem Solidarausgleich entziehen können“, so Gesundheitsexperte Stefan Etgeton. „Das ist der Preis dafür, dass sich Deutschland als einziges Land in Europa ein duales Krankenversicherungssystem leistet.“
Der Verband der privaten Krankenversicherungen (PKV) zweifelt die Aussagekraft der Studienergebnisse und vor allem die Schlussfolgerungen der Bertelsmannstiftung stark an. Laut dem PKV ist der Mehrumsatz, der dem Gesundheitssystem durch die privaten Krankenversicherungen zugute kommt etwa doppelt so hoch wie in der Studie angegeben. So schreibt der PKV in seinem Faktencheck zur Studie: „Wenn dem Gesundheitssystem dieses Geld nicht entzogen werden soll, dreht der Beitragseffekt gemäß Bertelsmann-Rechnung sogar ins Minus – die gesetzlich Versicherten müssen draufzahlen.“
Wie realistisch die Berechnungen der Studie sind, mag zu bezweifeln sein. Ob das deutsche Gesundheitssystem ohne die zwei Klassen gerechter wäre? Vielleicht.
Was meint ihr? Haltet ihr die Forderungen der Bertelsmannstiftung für realistisch? Inwiefern könntet ihr euch eine Praxis/Klinik ohne Privatpatienten vorstellen?
Bildquelle: Simone Busatto, unsplash