12. Februar 2020: Die WHO hat Experten zur Krisensitzung nach Genf geladen. Das Coronavirus heißt jetzt SARS-CoV-2. Auf Impfstoffe müssen Ärzte weiterhin warten. Virustatika könnten deutlich früher zur Verfügung stehen.
In Genf tagen noch bis heute Abend mehr als 400 Wissenschaftler auf Einladung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ziel der Konferenz sei, einen Fahrplan für die weiterführende Erforschung des Virus zu entwickeln, erklärte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Derzeit sind über 45.200 Menschen infiziert, 1.116 sind verstorben und über 4.900 genesen (12. Februar, 10:45 Uhr). In Bayern wurde zwei weitere Fälle bestätigt. Sie stehen mit der Erkrankungsserie eines Autozulieferbetriebs in Verbindung (DocCheck berichtete).
An solchen Statistiken rüttelt Chinas nationale Gesundheitskommission gewaltig. Sie hat eine neue Falldefinition verabschiedet. Demnach nennen offizielle Statistiken nur noch Patienten, bei denen das Virus labordiagnostisch nachgewiesen wurde und bei denen Symptome auftreten. Wer keine Beschwerden hat, wird trotz positiver PCR-Diagnostik nicht mehr erwähnt.
Das widerspricht geltenden WHO-Vorgaben – und könnte sich schnell zur Gefahr entwickeln. Derzeit geht man davon aus, dass 80 Prozent aller Patienten leichte Symptome zeigen – und gerade jetzt eher an einen grippalen Infekt denken. Die Dunkelziffer wird durch Vorgaben des Parteiapparats jetzt noch größer, was in Genf für Unmut sorgte.
Immerhin kam man beim WHO-Treffen in einem Punkt rasch zur Sache: Der umständlich „neuartiges Coronavirus“ oder „2019-nCoV“ genannte Erreger heißt jetzt offiziell SARS-CoV-2. Damit bezieht sich das International Committee on Taxonomy of Viruses auf die biologischen Ähnlichkeiten zu SARS. Und die Lungenerkrankung selbst wird Covid-19 genannt. Das gibt auf Twitter doch gleich mal einen guten Hashtag: #COVID19. Man habe darauf geachtet, einen Namen zu finden, der sich nicht auf einen geografischen Ort, ein Tier, eine Person oder eine Gruppe von Menschen beziehe, erklärt Ghebreyesus.
Beim Meeting standen Therapie und Prävention im Fokus. Ghebreyesus rief alle Staaten auf, sich finanziell zu beteiligen, um die angestrebte Summe von 675 Millionen US-Dollar auch zu erreichen. Er vermutete, ein Impfstoff könne in etwa 18 Monaten zur Verfügung stehen. Bis dahin sei auch in Maßnahmen zu investieren, die helfen, den Ausbruch einzudämmen. Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, rechnet im Laufe dieses Jahres mit ersten klinischen Studien zu Vakzinen.
Deutlich rascher könnten therapeutische Wirkstoffe zur Verfügung stehen. Denn Forscher verwenden eine andere Taktik. Sie untersuchen etablierte, für andere Indikationen zugelassene Pharmaka. Ein Blick in ClinicalTrials.gov und in das Chinese Trial Register zeigt, dass erste Resultate schon zwischen April und Juli vorliegen sollen. Daran wird gerade geforscht:
Lopinavir plus Ritonavir sind als Fixkombination zur Behandlung von HIV bei Kindern und Erwachsenen zugelassen. Sie wirken als Proteaseinhibitoren, was Perspektiven beim neuen Coronavirus eröffnet. Chinesische Forscher untersuchen im Rahmen einer Studie 160 Patienten mit 2019-nCoV-Infektion. Von ihnen erhalten 80 Lopinavir plus Ritonavir plus Interferon-α2b. Weitere 80 werden als Kontrollgruppe nur anhand ihrer vorherrschenden Symptome behandelt.
Eine andere Arbeitsgruppe vergleicht Lopinavir plus Ritonavir mit dem Virustatikum Umifenovir und mit einer Kontrollgruppe, die nur symptomatisch behandelt wird. Hier ist vorgesehen, 125 Patienten im Verhältnis 2:2:1 zu randomisieren.
Remdesivir (GS-5734) ist auch in den Kreis der interessanten Moleküle gerückt. Es wurde als Virustatikum gegen Ebola- und Marburgvirus-Infektionen entwickelt. Der Wirkstoff hemmt eine RNA-Polymerase, was man sich jetzt im Kampf gegen Coronaviren zu Nutze machen möchte. Es gibt vielversprechende Ergebnisse aus Labor- und Maustests gegen den engen Verwandten MERS. Dem Wall Steet Journal zufolge plant Gilead Sciences den experimentellen Einsatz in China.
Wegen der entzündungshemmenden und immunsupprimierenden Wirkung interessieren sich Forscher auch für Methylprednisolon. 80 Erkrankte erhalten entweder das Steroid oder nur eine symptomorientierte Therapie. Bei SARS hat eine Literaturübersicht jedoch keine nennenswerten Effekte gezeigt.
Manche der Studien in beiden Registern überraschen aber dennoch. Forscher scheuen sich nicht, Stuhltransplantationen zu untersuchen. Auch Drogen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sollen bewertet werden.
Dies erstaunt, weil es derzeit keine hieb- und stichfesten Anhaltspunkte für derlei Methoden gibt. Und, nicht zu vergessen: Wir sprechen von einer potenziell tödlichen Erkrankung.
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