Ab März kommt das Wiederholungsrezept. Klingt erstmal praktisch, bringt aber auch viele Probleme mit sich. Was ihr wissen solltet und warum dieses neue System nicht vollständig zu Ende gedacht ist.
Ein Kunde kommt in die Apotheke und drückt mir ein bereits eingelöstes Privatrezept in die Hand.
Kunde: Das bitte nochmal.DerApotheker: Dafür brauchen Sie ein neues Rezept, dieses wurde bereits eingelöst!Kunde: Aber ich bezahle es doch sowieso selbst.DerApotheker: Ja, aber nichtsdestotrotz ist das Arzneimittel auf dem Rezept rezeptpflichtig und das Rezept ist leider nur einmal gültig.
Kunde: Das bitte nochmal.
DerApotheker: Dafür brauchen Sie ein neues Rezept, dieses wurde bereits eingelöst!
Kunde: Aber ich bezahle es doch sowieso selbst.
DerApotheker: Ja, aber nichtsdestotrotz ist das Arzneimittel auf dem Rezept rezeptpflichtig und das Rezept ist leider nur einmal gültig.
Gehört so ein Dialog bald der Vergangenheit an? Bei chronisch Kranken sehr wahrscheinlich.
Im März 2020 startet nämlich Das Wiederholungsrezept!
Mit einem Wiederholungsrezept können chronisch kranke Patienten ihr Arzneimittel öfter als einmal bekommen: Nach der Erstabgabe noch drei weitere Male. Das ist ziemlich praktisch, erspart es doch dem Patienten den Gang zur Arztpraxis. Und der Praxis spart es Zeit.
"Aber sie kennen mich doch!"
Für uns Apotheker hat es den Vorteil, dass wir den Patienten nicht ohne sein regelmäßig einzunehmendes Arzneimittel wegschicken müssen, wenn es zur Neige geht, aber sein Arzt sich zum Beispiel gerade im Urlaub befindet.
Viele Patienten argumentieren in der Apotheke so:
„Ich hole das Medikament doch regelmäßig bei Ihnen. Sie kennen mich doch. Ich habe auch eine Kundenkarte, auf der es vermerkt ist!“
Das ist alles schön und gut, aber gebe ich ein Arzneimittel ohne gültiges Rezept ab, mache ich mich strafbar. Punkt.
Habe ich das dem Patienten mitgeteilt, sehe ich keinen Grund für eine weitere Diskussion. Was der Patient meistens anders sieht.
Natürlich verstehen wir die Patienten und natürlich gibt es Kollegen, die Arzneimittel ohne Rezept abgeben und anbieten, dass das Rezept nachgereicht werden kann. Damit verstoßen sie allerdings gegen das Gesetz und haben einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil.
Warum sollte also jemand bevorzugt zu mir in die Apotheke kommen, wenn ich mich an die Gesetze halte, während in einer anderen Apotheke zu seinen Gunsten dagegen verstoßen wird? Für mich ist das inakzeptabel. Ich muss ein Gesetz nicht gut finden, um mich daran zu halten.
Jetzt kommt also dieses geheimnisvolle Wiederholungsrezept, durch das dieses Problem möglicherweise für immer verschwindet.
Das Beste am neuen Wiederholungsrezept ist allerdings, dass es den meisten offenbar gänzlich unbekannt ist. Viele Ärzte und Apotheker wissen überhaupt nichts darüber. Weder, dass es kommen soll, noch, dass es in drei Wochen bereits losgeht.
Und das größte Geheimnis ist: Wie soll das alles umgesetzt werden? Es fehlen schlicht und einfach die Informationen darüber.
Was wir bisher wissen, steht einmal in § 31 Abs. 1b SGB V:
„Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.“
Und einmal in 4 Abs. 3 AMVV:
„Die wiederholte Abgabe eines zur Anwendung bei Menschen bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimittels auf dieselbe Verschreibung bedarf der Anordnung der verschreibenden Person. Die verschreibende Person kann eine Verschreibung ausstellen, nach der eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verschreibungen sind als Verschreibungen zur wiederholten Abgabe zu kennzeichnen. Bei der wiederholten Abgabe auf dieselbe Verschreibung ist das verschriebene Arzneimittel jeweils in derselben Packungsgröße abzugeben, die die verschreibende Person für die erstmalige Abgabe auf der Verschreibung angegeben hat. Die wiederholte Abgabe eines zur Anwendung bei Tieren bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimittels auf dieselbe Verschreibung über die verschriebene Menge hinaus ist unzulässig.“
Fassen wir das Wichtigste also zusammen:
Für uns Apotheker ist folgender Satz interessant:
Schön. Aber wie soll das in der Praxis funktionieren?
Kommt ein Kunde mit einem Kassenrezept zu uns, so bezahlt er, falls er nicht davon befreit ist, nur die Zuzahlung und eventuell einen Eigenanteil. Das Rezept behalten wir in der Apotheke und lassen es abrechnen.
Im Anschluss erhalten wir das Geld von seiner Krankenkasse, abzüglich der Zuzahlung. Bis das Geld in der Apotheke eintrifft, kann auch schonmal ein Jahr vergangen sein. Die Apotheke legt das Geld quasi aus. Das ist auch ein Grund dafür, warum teure Rezepte nicht unbedingt gerne gesehen werden.
Bei einem Wiederholungsrezept hieße das, dass das Rezept in der Apotheke bleibt. Wenn ein Patient also mit einem Wiederholungsrezept in unsere Apotheke kommt und angibt, wir hätten sein Rezept vorliegen, geben wir ihm das Medikament raus. Falls es zu dem Zeitpunkt lieferbar ist. Man weiß das in letzter Zeit ja nicht so genau.
Aber was ist, wenn der Patient gerade Urlaub in einer anderen Stadt macht und dringend sein Arzneimittel benötigt? Pech für den Patienten.
Und was ist, wenn auf dem Rezept Humira für je rund 5.000 € steht? Pech für die Apotheke. Sie muss folglich 20.000 € auslegen und kann das Rezept erst einreichen, wenn das Arzneimittel das vierte Mal abgeholt wurde. Anschließend muss sie noch bis zu einem Jahr darauf warten, dass das Geld von der Krankenkasse bezahlt wird. Zwei Jahre lang auf so viel Geld warten?
Was ist, wenn mehrere Patienten mit so teuren Arzneimittel in die Apotheke kommen? Das könnte durchaus einige Apotheken in den Ruin treiben. Die Apotheke darf nicht die Einlösung eines Rezeptes ablehnen. Das nennt sich Kontrahierungszwang.
Bei Privatrezepten hingegen läuft es wahrscheinlich darauf hinaus, dass der Patient jedesmal das Geld auslegen muss. Nachdem er schließlich vier Packungen erhalten hat, kann das Rezept abgerechnet werden. Mit etwas Glück hat seine Versicherung ein Einsehen und bezahlt die Kosten für das Arzneimittel nach jedem einzelnen Einlösen des Rezeptes.
Auf mich wirkt das neue System nicht vollständig zu Ende gedacht. Wahrscheinlich sind wir deshalb noch nicht über alle Einzelheiten informiert worden, obwohl es in wenigen Tagen losgeht. Das empfinde ich als relativ unbefriedigend.
Wir werden sehen, was passiert. Ich bin gespannt.
Wie seht ihr das: Fühlt ihr euch gut vorbereitet in Sachen Wiederholungsrezept?
Bildquelle: Rostyslav Savchyn, unsplash