Die akute Form der Sarkoidose heilt binnen Monaten meist spontan ab. Doch bei einigen Patienten geht die entzündliche Erkrankung in eine nicht immer einfach zu behandelnde chronische Form über. Ein neuer Biomarker könnte schon bald vorhersagen, wer davon betroffen ist.
Haben Patienten dicke Sprunggelenke, geschwollene Lymphknoten und schmerzhafte Hautknötchen, fällt erfahrenen Pneumologen die Diagnose nicht schwer. Mit ziemlicher Sicherheit leiden die meist 25 bis 40-jährigen Patienten am Löfgren-Syndrom – einer akuten Form der Sarkoidose. Die Erkrankung tritt insbesondere in Skandinavien gehäuft auf und wird durch eine Überreaktion des Immunsystems verursacht. „Die Balance zwischen entzündungsfördernder T-Helfer-Zellen und regulatorischen T-Zellen, die Entzündungen hemmen, scheint bei den Patienten gestört zu sein“, sagt Antje Prasse, Oberärztin an der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover. „Auch korreliert das Löfgren-Syndrom stark mit bestimmten HLA-Genen, die eine zentrale Rolle im Immunsystem spielen.“ Ob die genetische Prädisposition, so Prasse, allerdings ausreiche, um die Krankheit auszulösen, oder ob auch Umweltfaktoren dafür mitverantwortlich seien, müsse noch geklärt werden.
In der Regel ist die Prognose des Löfgren-Syndroms gut: Bei 80 bis 90 Prozent der Betroffenen kommt es binnen einiger Monate zu einer Spontanheilung; die auftretenden Schmerzen lassen sich meist gut mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandeln. Bei den restlichen Patienten wird die Krankheit jedoch chronisch. Sie kann dann auf den gesamten Körper übergreifen. Typisches Kennzeichen für dieses Stadium sind Granulome – mikroskopisch kleine Bindegewebsknötchen, die bei nahezu allen Patienten die Lungen befallen, jedoch auch in den anderen Organen auftreten können. Mittel der Wahl sind bei der chronischen Form Glukokortikoide, die über einen längeren Zeitraum gegeben werden und die Entzündungsreaktion unterdrücken. Bei rund einem Drittel der Patienten gelingt es mit diesen Medikamenten jedoch nicht, die Krankheit zum Stillstand zu bringen. In diesen Fällen versuchen Ärzte mit Zytostatika oder auch mit modernen Biologika den fortschreitenden Lungenfunktionsverlust abzubremsen. Durchaus mit Erfolg: In einer multizentrischen placebokontrollierten Phase-2-Studie verbesserte das Biologikum Infliximab signifikant die Lungenfunktion von Patienten mit einer chronischen Sarkoidose. Da allerdings der primäre Endpunkt der Studie knapp verpasst wurde, verzichtete die Herstellerfirma für diese Indikation auf eine weitere klinische Erprobung des therapeutischen Antikörpers, der bereits für die Behandlung einer Vielzahl anderer entzündlicher Krankheiten mit größerer Patientenzahl zugelassen ist. Zum Leidwesen der behandelnden Ärzte: „Mittlerweile gibt es zahlreiche Fallberichte über einen erfolgreichen Einsatz von Infliximab bei Sarkoidose-Patienten, doch aufgrund der Off-Label-Anwendung des Medikaments befinden wir uns in einem ständigen Kampf mit den Krankenkassen über die Kostenerstattung“, so Prasse.
Auch wenn sich die verschiedenen Formen der Sarkoidose relativ leicht diagnostizieren lassen, so fehlen bisher prognostische Marker, die vorhersagen könnten, ob eine akute in eine chronische Form übergeht oder wie die chronische Form verläuft. „Wenn wir das wüssten, könnten wir die medikamentöse Therapie besser anpassen und stark wirkende Substanzen eventuell schon früher einsetzen, statt abzuwarten, wie es momentan meistens der Fall ist“, erklärt Prasse. Vielleicht könnte sich diese unbefriedigende Situation zukünftig ändern: Denn ein internationales Forscherteam hat nun ein Molekül identifiziert, das darüber Auskunft geben könnte, welche der beiden Krankheitsformen wahrscheinlich ist und zusätzlich therapeutisches Potenzial verspricht. Wie die Wissenschaftler um Dunja Bruder und Jan Wahlström in einem Artikel [Paywall] im Fachmagazin Clinical and Experimental Immunology berichten, verstärkt ICOS die Wirkung der regulatorischen T-Zellen und findet sich besonders häufig in der Lunge von Patienten mit einer akuten Sarkoidose. ICOS ist ein Protein, dass auf T-Zellen vorkommt und die Interaktion dieser Zellen mit anderen Zellen des Immunsystems vermittelt. Bruder und ihre Kollegen untersuchten im Rahmen ihrer retrospektiven Studie den Immunstatus von 15 Patienten, die entweder an der akuten oder chronischen Sarkoidose litten, und zur Kontrolle auch von sechs gesunden Personen. Sie entnahmen den Probanden Blutproben und führten eine bronchoalveoläre Lavage durch, bei der eine Kochsalzlösung in die Lunge gespült und anschließend wieder abgesaugt wird. Wie schon seit einigen Jahren bekannt, konnten die Forscher eine reduzierte Anzahl regulatorischer T-Zellen und eine vergleichsweise hohe Anzahl aktivierter T-Helfer-Zellen in der bronchoalveolären Lavage von Sarkoidose-Patienten nachweisen. In den Blutproben fand sich dieser Unterschied zwischen kranken und gesunden Studienteilnehmer dagegen nicht.
Anschließend nahm das Team um Bruder die T-Zellen aus der Lavage genauer unter die Lupe und stellte dabei fest, dass sich auf den regulatorischen T-Zellen von Sarkoidose-Patienten deutlich mehr ICOS-Moleküle befanden als auf den aktivierten T-Helfer-Zellen. Dieser Unterschied zeigte sich zwar auch bei gesunden Personen, war aber wesentlich weniger ausgeprägt. „Die größte Menge an ICOS findet sich am Ort des Entzündungsgeschehen und nicht im Blut der Patienten“, resümiert Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppen Infektionsimmunologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikum Magdeburg und Immunregulation am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Als sie und ihre Kollegen die Zellproben von Patienten mit akuter und chronischer Sarkoidose getrennt analysierten, sahen sie auch dort einen Unterschied: Regulatorische T-Zellen von Patienten mit einer akuten Sarkoidose wiesen mehr ICOS-Moleküle auf als die von Patienten mit einer chronischen Verlaufsform der Erkrankung. Aufgrund der geringen Anzahl von Probanden war diese Differenz allerdings statistisch nicht signifikant. Dennoch vermutet Bruder, dass eine hohe ICOS-Konzentration auf der Oberfläche regulatorischer T-Zellen sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt: „Je mehr ICOS, desto größer könnten die Chancen für einen Patienten mit akuter Sarkoidose sein, dass die Krankheit von selbst ausheilt und nicht in die chronische Form übergeht.“ Um diesen Zusammenhang endgültig zu bestätigen, planen die Forscher, in einer prospektiven Studie bei einer größeren Anzahl von Sarkoidose-Patienten zu untersuchen, wie viel ICOS auf den regulatorischen T-Zellen vorkommt und wie sich die ICOS-Konzentration im Verlauf der Erkrankung verändert.
ICOS könnte aber nicht nur als diagnostischer Marker dienen, sondern auch als Ziel für eine therapeutische Intervention. In einer Studie, die im vergangenen Jahr im Fachmagazin PLOS One erschien, zeigten Bruder und ihr Team, dass bei Mäusen, die an Grippe erkrankt waren, der Verlauf der Infektion abgemildert wurde, wenn die Forscher ICOS durch die Injektion eines speziellen Antikörpers zusätzlich aktivierten und sich dadurch das Gleichgewicht der verschiedenen T-Zellen in Richtung der regulatorischen T-Zellen verschob. „Wir bremsen so bei Influenza-Infektionen das überschießende Immunsystem, das oft mehr Probleme bereitet als das eigentliche Virus“, sagt Bruder. Sie kann sich vorstellen, dass auch bei Sarkoidose-Patienten eine zusätzliche Aktivierung von ICOS sich eventuell günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken könnte. Bevor dieser Therapieansatz an Patienten ausprobiert werde, so die Forscherin, seien aber noch eine Reihe weitere Experimente nötig. Der Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten für Sarkoidose-Patienten wäre jedoch schon jetzt vorhanden: „Gerade die Patienten mit der chronischer Form, die wir zurzeit mit starken Immunsuppressiva behandeln müssen, leiden irgendwann an einer Vielzahl von Begleiterkrankungen, die sich durchaus lebenszeitverkürzend auswirken“, sagt Antje Prasse. Originalpublikation: Pulmonary sarcoidosis is associated with high-level ICOS expression on lung regulatory T cells – possible implications for the ICOS/ICOS-L axis in disease course and resolution [Paywall] Sakthivel et al.;. Clin Exp Immunol., doi: 10.1111/cei.12715.; 2015