Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC) machen sich ein für Schwangerschaften typisches Protein zunutze: Durch dessen Ausschüttung werden Abwehrreaktionen des Immunsystems unterdrückt. Ein neuer, leicht zu testender Biomarker?
„Das Immunsystem spielt in den letzten Jahren eine immer größere Rolle bei der Bekämpfung von Lungenkrebs. Man versucht herauszufinden, über welche Mechanismen die Tumorzellen das Immunsystem beeinflussen und ob man die Erkenntnisse daraus für Diagnostik und Therapie nutzen kann“, erklärt Dr. Michael Meister, Leiter der Sektion Translationale Forschung des Universitätsklinikums Heidelberg und Seniorautor der Publikation. Eine wichtige Rolle in der Wechselwirkung zwischen einem bestimmten Lungentumor, dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, und dem Immunsystem spielt das Schwangerschaftsprotein Glycodelin. Bisher war lediglich bekannt, dass diese Tumoren das Protein bilden, weitere Untersuchungen standen noch aus. „Wir vermuten, dass die Krebszellen Glycodelin ausschütten, um Immunzellen in ihrer direkten Umgebung zu betäuben. Diese können so keine Abwehrreaktion einleiten“, so Meister. Hinderten die Wissenschaftler die Tumorzellen im Labor daran, das Protein herzustellen, bildeten diese stattdessen andere Proteine, die das Immunsystem beeinflussen.
Die Heidelberger Lungenspezialisten verglichen außerdem erstmals den Glycodelin-Spiegel in konservierten Blutproben von mehr als 25 Patienten mit deren Krankheitsverlauf. „Die Konzentration von Glycodelin im Blut korrelierte sehr gut mit dem Therapieansprechen oder dem Fortschreiten der Erkrankung“, so Dr. Marc Schneider, Erstautor der Arbeit. Schlug eine Chemotherapie an oder wurde der Tumor entfernt, sank der Glycodelinspiegel. Wuchs der Tumor weiter oder bildeten sich im späteren Verlauf Absiedlungen, stieg die Konzentration an. Das Team konnte für diese Untersuchungen auf eine große Anzahl von Blut- und Gewebeproben von Patienten mit Lungentumoren zurückgreifen.
Bestätigt sich dieser Zusammenhang in weiteren, bereits angelaufenen Studien, könnte das Protein als leicht zu testender Biomarker in der Früherkennung und Verlaufskontrolle speziell beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom eingesetzt werden. Regelmäßige Kontrollen des Glycodelin-Spiegels könnten zusammen mit weiteren Untersuchungen den Ärzten dabei helfen, auf ein Fortschreiten der Erkrankung schnell zu reagieren und die Therapie anzupassen. „In künftigen Studien muss außerdem geklärt werden, ob Glycodelin sich als mögliches Ziel für die Therapie beim Nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom eignet“, sagt Meister. Originalpublikationen: Glycodelin: A New Biomarker with Immunomodulatory Functions in Non-Small Cell Lung CancerMarc A. Schneider et al.; Clinical Cancer Research, doi: 10.1158/1078-0432.CCR-14-2464; 2015 The pregnancy associated protein glycodelin as a follow-up biomarker in a male Non-small cell lung Cancer patient Marc A. Schneider et al.; Cancer Treatment Communications, doi: 10.1016/j.ctrc.2015.09.005; 2015