3. Februar 2020: Die Zahl an Patienten mit nachgewiesener Coronainfektion erhöht sich weiter. Das Virus ist offenbar extrem kontagiös, weist aber im Vergleich mit ähnlichen Pathogenen eine geringere Letalität auf.
Die Zahl an Patienten mit 2019-nCoV steigen rapide an. Bisher sind mehr als 17.405 erkrankt und 362 gestorben (Stand 3. Februar, 10:30 Uhr). Damit gibt es nun offiziell mehr Todefälle durch das neue Coronavirus als durch SARS. Erstmals wurde außerdem ein Todesfall außerhalb Chinas gemeldet: Ein chinesischer Mann starb in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Der Patient kam aus Wuhan.
In Deutschland selbst berichten Behörden bisher von acht Fällen. Sie stehen direkt oder indirekt mit dem Besuch einer symptomlosen chinesischen Kollegin beim Starnberger Autozulieferer Webasto in Verbindung, wie DocCheck berichtete. Ein weiterer mit dem Virus infizierter Deutscher befindet sich auf der Kanareninsel La Gomera.
Am Samstag evakuierte die deutsche Regierung 124 Menschen mit einer Maschine der Luftwaffe aus Wuhan. Die Rückkehrer müssen 14 Tagen in Quarantäne bleiben – so lange ist nach jetzigem Kenntnisstand möglicherweise mit einer Übertragung zu rechnen. Elf von ihnen wurden in ein Krankenhaus gebracht, bei zweien bestätigten Ärzte den Verdacht, dass sie mit 2019-nCoV infiziert sind.
Detaillierte Fallberichte aus China gibt es kaum. Die gut dokumentierte Fallserie aus Bayern wirft mehrere Fragen auf: Wie leicht wird das neue Coronavirus übertragen? Und: Ab welchem Zeitpunkt sind vermeintlich gesunde Menschen nach einer Infektion schon ansteckend?
„Wir wissen schon seit den ersten Ansteckungen durch die chinesische Indexpatientin in Bayern, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgen kann, obwohl der Überträger noch asymptomatisch ist“, erklärt Prof. Bernd Salzberger gegenüber dem Science Media Center. „Ein Virusnachweis kann auch schon bei Patienten positiv ausfallen, die keine Symptome haben.“
Der Experte ergänzt: „Leider haben wir bisher noch keine Details zu der genauen Übertragungskinetik, das heißt der Viruslast, die für eine Ansteckung nötig ist.“ Es könne sein, dass es eine ganze Reihe von Menschen gebe, die symptomlos blieben, die aber trotzdem potenzielle Überträger des Virus sein könnten. Sein Fazit: „Noch kann ein Durchbrechen der Infektionskette in Deutschland funktionieren, um eine größere Ausbreitung zu verhindern. Man kann die weitere Entwicklung aktuell allerdings noch nicht absehen.“
„Soweit wir derzeit wissen, hatten Patienten, die sich bei der chinesischen Indexpatientin in Bayern angesteckt haben, zum Teil eher flüchtige Kontakte mit Infizierten, zum Beispiel einen Handschlag oder einen kürzeren gemeinsamen Aufenthalt in einem Büro“, berichtet Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin in München sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen. In seinem Haus werden die Patienten aus Süddeutschland behandelt. Wendtner: „Das scheint mir das Neue, dass dieses 2019-nCoV offenbar anders als SARS und MERS, offensichtlich hoch kontagiös, also ansteckend ist, soweit wir das bisher erkennen können anhand der ersten sieben bestätigten Fälle in Bayern.“
Außerdem sei die Infektion mit einer variablen Viruslast verbunden. Die Anzahl der Viruspartikel in nasopharyngealen Abstrichen und im Sputum Infizierter schwanke stark und erreiche in einer quantitativen RT-PCR Werte von bis zu 108 Kopien pro Milliliter. „Es gibt zudem erste Infektionsketten, bei denen eine Infektion von einem auf einen weiteren Mitarbeiter einer Autozulieferer-Firma und inzwischen auch auf ein kleines Kind eines Firmenangestellten weitergegeben wurde – im Einzelfall sogar von zuvor symptomlos Infizierten“, ergänzt der Infektiologe.
Was plant die Forschung? Dazu Wendtner: „In Kooperation mit dem Labor von Christian Drosten an der Charité und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr von Roman Wölfel versuchen wir derzeit, die Zellkultur des 2019-nCoV zu etablieren und das Erbgut der Erreger zu sequenzieren, um deren Evolution besser zu verstehen. Eine wichtige Frage dabei ist, ob das Virus bereits mutiert ist, das wir in Deutschland sehen.“
Eine Tatsachte überrascht: „Bisher sieht es so aus, als ob die Letalität des 2019-nCoV eher deutlich geringer ausfällt als bei SARS“, kommentiert Wendtner. „Für die Erkrankten wird nun ab der zweiten Krankheitswoche abzuwarten sein, ob es eventuell sekundär zu einer überschießenden Immunität gegen den Erreger kommt.“ Dann könnten Infiltrate in der Lunge auftreten, bekannt als Acute respiratory distress syndrome (ARDS) – eine lebensgefährliche Komplikation. „Deshalb bleiben alle Patienten weiter unter stationärer Beobachtung“, berichtet der Experte.
Generell müsse man die weitere Entwicklung abwarten. Dazu zählt die Frage, ob Coronaviren nicht nur, wie bisher vermutet, als Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen werden, sondern auch mit dem Stuhl in die Umwelt gelangen. Berichte der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua deuten darauf hin, wissenschaftliche Belege fehlen aber noch.
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