Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird nicht müde zu behaupten, Deutschland sei auf das neue Coronavirus 2019-nCoV „gut vorbereitet“. Unabhängig davon, wie die nCoV-Welle sich weiterentwickelt: Seine Äußerungen zeigen eine gefährliche Ignoranz.
Wer während einer Grippeepidemie schon einmal in einer Krankenhausambulanz war, weiß: Schon bei kleinen Krankheitswellen knirscht es im deutschen Gesundheitswesen. Durch den ständig steigenden Kostendruck bewegen sich unsere Kliniken seit Jahren am Limit. Nur durch kontinuierliches Ausquetschen der Produktivitätsreserven lässt sich der Status quo einigermaßen halten. An einigen Stellen bröckelt es schon bedenklich.
Quelle: 3D-Render eines nCoV-Virus, CDC, Public Domain
Auf epidemiologische Sondervorfälle wie 2019-nCoV sind wir nicht ausgerichtet. Gerade mal ein paar Dutzend Betten stehen in speziellen Isolierstationen. Bei einer größeren Infektionswelle müssten deshalb massiv Normalstationen umgewidmet werden.
Noch enger ist die Situation in der Intensivmedizin. Diese Betten stehen nicht leer. Freie Kapazitäten gibt es vielleicht am Flughafen Berlin-Brandenburg, aber nicht auf Intensivstationen. Der Gedanke, mal eben in der Nacht 4 oder 5 hochinfektiöse, beatmungspflichtige nCoV-Patienten aufzunehmen, dürfte jeden Stationsarzt oder -pfleger zucken lassen. Von schwerkranken Virusopfern, die oft eine extrakorporale Membranoxygenierung benötigen, ganz zu schweigen. Aber vielleicht schickt der Bundesgesundheitsminister dann einige Beamte mit Luftpumpe vorbei, um die Situation zu fixen.
Entweder weiß Spahn von diesen Zuständen nichts oder er ignoriert sie. Wahrscheinlich aber gamblet er. Wenn die nCoV-Welle schnell abebbt, steht er als besonnener Staatsmann da, der seine Wählerschäfchen beruhigt und vor unnötiger Panik geschützt hat. Wenn sich die Epidemie aber hinzieht, könnten ihn seine verbalen Beruhigungspillen und sein fehlendes Krisenmanagement noch lange verfolgen. Das Krankenhauspersonal ist in beiden Fällen ein Verlierer: Es wird weiter den Mangel verwalten.
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