Die hormonfreie Verhütung mit Kupfersystemen wird immer beliebter. Trotzdem bieten viele Gynäkologen sie nicht an. Denn um Kupferspirale, -kette oder -ball einzusetzen, sind ein spezielles Training und Erfahrung notwendig. Sollte es verpflichtende Schulungen geben?
Nach wie vor sind orale Kontrazeptiva und Kondome die beliebtesten Verhütungsmethoden: Nach einer Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verhüten 53 Prozent der erwachsenen Paare in Deutschland mit der Pille und 37 Prozent mit Kondomen. Andere Methoden wie Hormonspirale, Vaginalring, Dreimonatsspritze oder natürliche Verhütungsmethoden werden deutlich seltener verwendet. Ein „Exot“ ist die Verhütung mit Kupfer – in Form des Intrauterinpessars, auch bekannt als „Spirale“, die für mehrere Jahre in die Gebärmutter eingesetzt wird. Daneben exisiteren auch die Kupferkette und der Kupferball. Das Prinzip hinter dieser Verhütungsmethode: Die Kupferionen, die von den Objekten kontinuierlich abgegeben werden, hemmen bzw. schädigen die Spermien und verändern den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, so dass eine Schwangerschaft zuverlässig verhindert wird. Während die meist T-förmige Kupferspirale starr ist, sind bei der Kette kleine Kupferröhrchen an einem Nylonfaden aufgehängt, so dass sie sich besser an die Form der Gebärmutter anpassen kann. Dafür muss sie fest in der Gebärmutterwand verankert werden. Beim Kupferball, der in Deutschland seit 2016 auf dem Markt ist, bilden die Kupferelemente die Form einer Kugel. Er wird zunächst in Form einer Kette in die Gebärmutter eingeführt und faltet sich dort auf. Durch seine runde Form soll er sich besonders gut an die Gebärmutter anpassen.
Im Vergleich zu anderen Verhütungsmethoden haben die Kupfersysteme einige Vorteile: „Das ist in erster Linie die Möglichkeit, ohne Hormone zu verhüten“, erläutert Ansgar Pett, Gynäkologe in einer Gemeinschafts-Frauenarztpraxis in Berlin. „Alle Nebenwirkungen, die mit hormoneller Verhütung zusammenhängen, fallen damit weg – etwa Gewichtszunahme oder Libidoverlust.“ Dadurch sind sie auch für Frauen in der Stillzeit geeignet und ebenso für Raucherinnen oder Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Hormone nehmen dürfen. „Ein weiterer Grund, sich für diese Methode zu entscheiden, ist für viele Frauen, sich über längere Zeit nicht um Verhütung kümmern zu müssen“, sagt Pett. So können die meisten Kupfersysteme drei bis fünf Jahre im Körper bleiben. Anwendungsfehler wie das Vergessen der Einnahme können dabei nicht auftreten. Weiterhin gilt die Verhütung mit Kupfer als sehr sicher. Und: Wird sie nicht mehr gewünscht, lassen sich die Kupfersysteme relativ einfach wieder entfernen. „Im Gegensatz zur Pille ist zudem unmittelbar nach dem Entfernen wieder eine Schwangerschaft möglich“, sagt Pett. Trotz der Vorteile kommen die Kupfersysteme in Deutschland eher selten zur Anwendung – und viele Gynäkologen bieten sie nicht einmal an. Woran liegt das? Haben Ärzte selbst Vorbehalte? Fühlen sie sich nicht sicher genug beim Einsetzen und fürchten, dabei Fehler zu machen? Sollte es daher für alle Frauenärzte eine verpflichtende Schulung geben, damit sie alle Arten von Verhütungsmethoden anbieten können?
„Bekannt sind die Verhütung mit Kupfer und die Kupferkette inzwischen schon“, sagt Pett. Er bietet die Verhütung mit Kupfer seit 20 Jahren an und setzt Kupfersysteme mehrmals pro Woche ein. „Viele Frauen sind daran interessiert und kommen von sich aus auf uns zu – häufig durch Informationen aus dem Internet.“ Viele der langjährigen Anwenderinnen seien zudem von der Methode überzeugt. Ähnliche Erfahrungen hat auch Sonja Kelö gemacht, die in einer Frauenarzt-Gemeinschaftspraxis in München arbeitet. Hier hat der Vorbesitzer der Praxis die Kupfersysteme in München eingeführt, so dass alle Ärzte in der Praxis viel Erfahrung damit haben. „Zu uns kommen viele Frauen, die sich eine Verhütung mit Kupfer wünschen, weil sie hormonfrei verhüten wollen“, berichtet die Gynäkologin. Allerdings würde ihre Praxis das ganze Spektrum der Verhütungsmethoden anbieten und bei jeder Frau die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden abwägen. Viele Frauenärzte würden die Kupfersysteme und insbesondere die Kupferkette möglicherweise nicht anbieten, weil ihnen Erfahrung beim Einsetzen fehle, sagt Pett. Das könnte eine Art Teufelskreis sein: Wer keine oder wenig Erfahrung mit der Anwendung habe, würde die Kupferkette eher nicht anbieten – und könne dann natürlich auch keine Erfahrung damit sammeln. „Zudem ist die Facharztausbildung schlechter geworden, so dass vielen frisch ausgebildeten Frauenärzten praktische Erfahrung fehlt“, so der Gynäkologe. Schließlich gebe es für hormonelle Verhütungsmethoden mehr Werbung und ein besseres Marketing – während für die Kupfersysteme, außer auf deren Internetseiten selbst, keine Werbung gemacht werde. „Bedenken von Frauenärzten hinsichtlich der Kupferkette könnten sein, dass das Einsetzen schwierig ist, dass man dabei etwas verletzen könnte oder dass sich die Kette verschieben oder verloren gehen könnte, so dass keine zuverlässige Verhütung gewährleistet ist, und dass schlimmstenfalls eine Bauchspiegelung notwendig sein könnte“, erläutert Kelö.
Das Vorgehen beim Einsetzen der drei Systeme unterscheidet sich etwas. „Das Legen der Spirale oder des Balles ist nicht besonders schwierig“, sagt Kelö. „Die Kupferkette wird dagegen mit einem spitzen Inserter in der Muskulatur der Gebärmutter verankert. Diese Technik sollte sicher beherrscht werden, deshalb ist hier ausreichend Erfahrung wichtig.“ Insgesamt sei aber auch das kein Hexenwerk, so die Gynäkologin. „Meiner Meinung nach beherrscht man es, wenn man das Training des Herstellers absolviert hat.“ So bietet der bisher einzige Hersteller der Kupferkette, die belgische Firma Contrel, ein Spezialtraining an, bei dem Frauenärzte das Einsetzen an einem Gebärmutter-Modell üben können. Anschließend wird ihnen ein Zertifikat ausgestellt. Wichtig sei, das Einsetzen dann auch regelmäßig in der Praxis durchzuführen, um es sicher zu beherrschen, betonen beide Frauenärzte. Frauen, die die Verhütung mit einem Kupfersystem in Erwägung ziehen, sollten sich nicht scheuen, bei ihrem Frauenarzt nachzufragen, wieviel Erfahrung er oder sie mit diesen Methoden habe, betont Pett. „Gegebenenfalls kann er oder sie dann auch einen Kollegen empfehlen, der in diesem Bereich Erfahrung hat.“ Ärzte, die Verhütungsmethoden mit Kupfer anbieten und das Spezialtraining zur Kupferkette absolviert haben, können zudem in einem Online-Ärzte-Register des Herstellers gefunden werden. Auch Ansgar Pett lässt sich in dem Register finden. Dennoch stellt sich die Frage: Wenn viele Gynäkologen Scheu vor dem Einsetzen haben – sollte dies dann nicht in einem verpflichtenden Kurs im Rahmen der ärztlichen Aus- oder Weiterbildung erlernt werden? „Ein Training zum Einsetzen der Hormon- und Kupferspirale während der ärztlichen Ausbildung wäre auf jeden Fall sinnvoll – ebenso wie mehr Training zum Einsetzen der Kupferkette und mehrmaliges Üben unter Aufsicht“, sagt Kelö.
Was die drei Kupfersysteme angeht, halten sowohl Pett als auch Kelö die Kupferkette für eine geeignete Methode für viele Frauen. „Im Vergleich zur Spirale, die am Anfang bei manchen Frauen drückt, passt die Kette sehr gut in die Gebärmutterhöhle und verursacht keine Reibung“, sagt Kelö. „Sie führt zu wenig Beschwerden sowie Nebenwirkungen und ist deshalb beliebt.“ Durch die feste Verankerung könne sie zudem nicht verrutschen oder unbemerkt ausgestoßen werden. Allerdings kann das Verankern mit Schmerzen verbunden sein. „Zudem findet trotz korrekten Einlegens in etwa vier Prozent der Fälle kein Verwachsen statt, so dass es doch zu einem Verlust der Kette kommen kann“, erläutert Kelö. Spirale und Ball seien am ehesten für Frauen zu empfehlen, bei denen eine Kupferkette nicht möglich sei. Denn damit die Kette sicher verankert werden kann, muss die Gebärmutterwand eine Mindestdicke von 1,1 Zentimeter haben – dies wird in der Frauenarztpraxis vor dem Einsetzen überprüft. Ein Nachteil der Spirale ist, dass ihre Flügel am Anfang bei manchen Frauen drücken. „Bei den älteren, größeren Standardspiralen kann es außerdem zu verstärkten Blutungen, Blutungsstörungen und schmerzhaften Regelblutungen kommen“, sagt Pett. „Diese würden wir deshalb nicht empfehlen.“ Aus seiner Sicht ist die Kupferspirale nur für Frauen geeignet, die bereits Kinder geboren haben. Was den Kupferball angeht, haben beide Ärzte die Erfahrung gemacht, dass es hier häufiger zu Ausstoßungen kommt. „Zudem wird die Gebärmutter durch den Ball auf Grund seiner dreidimensionalen Struktur relativ stark gedehnt“, sagt Kelö. „Viele Frauen berichten deshalb über Schmerzen und einem dumpfen Druck in der ersten Zeit nach dem Einsetzen.“
Wie andere Verhütungsmethoden können auch die Kupfersysteme Nebenwirkungen haben: Das Einsetzen wird von manchen Frauen als schmerzhaft empfunden – deshalb können Frauen kurz vorher ein Schmerzmittel oder eine örtliche Betäubung erhalten. „Wir empfehlen unseren Patientinnen vor Einlage die Einnahme von Tabletten, die schmerzlindernd sind und den Gebärmutterhals etwas auflockern“, erläutert Kelö. „So kann das Einlegen problemlos und ohne Narkose durchgeführt werden.“ Weiterhin können direkt nach der Einlage Blutungsstörungen auftreten, wie Schmierblutungen oder eine verlängerte Regelblutung. „Sehr starke Blutungen sehen wir bei den modernen Kupfersystemen aber nicht“, berichtet Pett. „Zudem normaliseren sich diese Nebenwirkungen in der Regel innerhalb von zwei bis drei Monaten.“ Auch das Risiko für Infektionen ist in den ersten Monaten nach dem Einsetzen leicht erhöht. „Wichtig ist deshalb, dass Frauen bei Verdacht auf eine Entzündung zeitnah untersucht werden und die Entzündung zügig behandelt wird“, sagt Kelö. „Eine mögliche lokale Entzündungsreaktion durch die Kupferionen ist durch die modernen, kleinen Kupfersysteme aber relativ gering.“ Komplikationen können in seltenen Fällen auftreten: Die Spirale oder der Ball können unbemerkt mit der Monatsblutung ausgestoßen werden oder in der Gebärmutter verrutschen, so dass sie nicht mehr zuverlässig verhüten. Wichtig ist deshalb, dass die Nutzerinnen regelmäßig Kontrolluntersuchungen beim Frauenarzt wahrnehmen: zunächst vier bis sechs Wochen nach dem Einsetzen und dann in halbjährlichen Abständen. Eine Kupferkette kann in seltenen Fällen in den Bauchraum wandern und muss dann operativ entfernt werden. „Eine hundertprozentige Garantie, dass das nicht passiert, gibt es nicht“, sagt Kelö. „Bei einer korrekten Auswahl der Patientinnen und korrektem Einsetzen kann das Risiko jedoch minimiert werden.“