Neurologen testen derzeit eine neue Art, Alzheimer zu behandeln. Sie nutzen Ultraschallwellen, um das Gehirn von Patienten zu aktivieren. Bringt das was?
Wiener Neurologen haben eine neue Therapiemöglichkeit für die Alzheimer-Krankheit entwickelt. Sie nutzen dafür Ultraschallwellen, um Gehirnareale von Patienten zu aktivieren. „Die transkranielle Pulsstimulation macht es weltweit erstmalig möglich, mit einem Ultraschall-Puls direkt am Schädelknochen, nicht-invasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirn-Areale anzusteuern und diese zu aktivieren“, erläutert Prof. Roland Beisteiner von der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien.
Zusammen mit deutschen und schweizer Kollegen sowie dem Gerätehersteller Storz Medical hat er die Methode zur Behandlung von Alzheimer-Patienten eingesetzt. Dabei werden einzelne kurze Ultraschallimpulse von drei Mikrosekunden mit einer Energie von 0,2-0,3 mJ/mm² verwendet, die alle 200–300 ms wiederholt werden. Diese Parameter minimieren die Gefahr einer Überhitzung des Gewebes und unerwünschter sekundärer Stimulationen. Verfolgt wird das Ganze über ein 3D-Infrarot-Kamerasystem samt Software, die unter Einbeziehung individueller MRI-Bilder Positionen und Pulse anzeigt und bei Bedarf aufzeichnet.
Durch präklinische Simulationen, Messungen an Schädeln und Gehirngewebe sowie Tierversuche waren zuvor die optimalen Parameter ausgetüftelt und erste Ergebnisse zur Sicherheit der Methode gesammelt worden. Bei zehn gesunden Probanden bestätigten sich die gute Verträglichkeit und die Wirkung auf die Gehirnaktivität. Schließlich wurden 35 Alzheimer-Patienten in Wien und Bad Krozingen zusätzlich zu ihrer normalen Alzheimer-Therapie über zwei bis vier Wochen hinweg dreimal wöchentlich behandelt. 93 Prozent von ihnen vertrugen die Therapie ohne Nebenwirkungen, bei vier Prozent kam es zu Kopfschmerzen, und drei Prozent berichteten von Stimmungsveränderungen – größere Nebenwirkungen gab es keine.
Der neuropsychologische Score CERAD-Plus verbesserte sich nach der TPS-Behandlung signifikant und blieb über die Beobachtungszeit von drei Monaten stabil. Dies korrelierte mit einer Steigerung der Netzwerkkonnektivitäten in funktionellen MRI-Daten. Die Verbesserungen standen nicht im Zusammenhang mit veränderten depressiven Scores.
In Wien und Bad Krozingen wurden die Patienten etwas unterschiedlich behandelt: In Wien wurden nur Hirnbereiche stimuliert, die mit Alzheimer in Verbindung gebracht wurden. U. a. der okzipital-parietale Kortex, ein wichtiger Bereich für die visuelle Verarbeitung, wurde dort nicht stimuliert. Während sich die Leistungen der Patienten im Bereich Gedächtnis und verbale Verarbeitung in beiden Studienzentren glichen und deutlich verbessert hatten, hatten sich die räumlich-visuellen Fähigkeiten bei den Patienten aus Wien verschlechtert. Die Neurologen folgern daraus, dass sich die Behandlung nur auf stimulierte Netzwerke auswirkt. Die Pilotstudie wurde mit einem unkontrollierten Design durchgeführt, es bleibt also abzuwarten, ob sich die Effekte auch im Vergleich zu Scheinstimulationen bestätigen lassen.
Über die genaue Wirkungsweise von Ultraschall auf Neuronen weiß man noch nicht allzu viel. Man vermutet, dass mechanische Effekte Ionenkanäle beeinflussen und Poren erzeugen, durch die Neurotransmitter und andere Botenstoffe gelangen und Veränderungen von Zellen und Netzwerken hervorrufen. In Zellkulturversuchen wurden Wachstum und Differenzierung neuronaler Stammzellen durch Ultraschall angeregt, und bei Mäusen wurde nach wiederholten Ultraschalluntersuchungen eine Plaquereduzierung beobachtet, vermutlich hervorgerufen durch Aktivierung der Mikroglia. Auch eine Aktivierung der NO-Synthase könnte eine Rolle spielen.
Der Neurologe Dr. Andreas Lüschow von der Charité meint dazu: „Unabhängig von den Einschränkungen, die die Pilotstudie mit sich bringt, sind die Ergebnisse neu, spannend und vielversprechend. Aber sie werfen natürlich neue Fragen auf, zum Beispiel von welcher Dauer der Effekt ist.“ Derzeit würde bei Alzheimer ein Plaquebildungsprozess hypothetisiert, meint der Neurologe. „Kann es überhaupt sein, dass die Zuführung mechanischer Energie hier Effekte hat oder beobachtet man einen unspezifischen Aktivierungseffekt, unabhängig vom Mechanismus?“
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