Lithium soll Alzheimer-Patienten vor Gedächtnisverlust schützen. Das Zauberwort heißt Microdosing.
Vor zwei Jahren sorgte die Idee eines Psychiaters für Aufsehen: Um die Bevölkerung vor Demenz zu schützen, könnte man das Trinkwasser mit Lithium versetzen, DocCheck News berichtete. Immerhin gibt es zahlreiche Studien (z.B. hier und hier) die zeigen, dass der Wirkstoff den geistigen Abbau bei Patienten mit Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen verlangsamt.
Noch denkt niemand ernsthaft darüber nach, das Trinkwasser mit Lithium zu versetzen. Allerdings hat es die seit Jahren bestehende Diskussion um den Wirkstoff neu entfacht. Aktuell bringt der Pharmakologe Dr. A. Claudio Cuello die Lithium-Therapie wieder ins Gespräch. Er hält Microdosing für das Zauberwort.
In der Alzheimer-Therapie wird der mögliche Nutzen von Lithium kontrovers diskutiert. Ein Streitpunkt: die Nebenwirkungen seien größer als der Nutzen. Doch mit Microdosing könnte man laut Cuello das Problem umgehen. Im Tiermodell scheint das auch zu klappen: Die Forscher von der McGill Universität in Montreal, Kanada, haben eine Darreichungsform entwickelt, die die Blut-Hirn-Schranke leicht passieren kann. Das Lithium ist hierbei 400-fach niedriger dosiert im Vergleich zur Dosierung, die bei der Behandlung affektiver Störungen üblich ist.
Bei Ratten, die im fortgeschrittenen Stadium an der Alzheimer-Krankheit leiden, wirkte sich das Microdosing positiv auf die Amyloid-Pathologie und die Gedächtnisleistung aus. In einer vorherigen Studie hatten die Autoren schon gezeigt, dass das Microdosing bei Ratten präventiv gegen die Entwicklung der Erkrankung wirkt.
Wie immer ist die Frage, ob sich die Ergebnisse dieser Experimente auch auf den Menschen übertragen lassen. Der Vorteil, der von den Pharmakologen entwickelten Darreichungsform sei nach eigenen Angaben die erleichterte Passage durch die Blut-Hirn-Schranke bei gleichzeitiger Minimierung der Lithiumwerte im Blut – und somit geringeren Nebenwirkungen.
Inzwischen geht man davon aus, dass die Pathogenese der Alzheimer-Krankheit multifaktoriell bedingt ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man bislang keinen Wirkstoff gefunden hat, der das Fortschreiten der Erkrankung stoppen konnte. Allerdings greift Lithium in viele verschiedene zelluläre Prozesse ein, was seine positive Wirkung bei Alzheimer erklären könnte.
Fakt ist: Die Idee ist nicht neu, Alzheimer-Patienten Lithium in Mikrodosen zu verabreichen. Schon 2013 hatten Forscher Patienten den Wirkstoff in einer viel geringeren Dosis (1x 300 µg täglich) verabreicht als üblich. In der kleinen Studiengruppe nahm die Gedächtnisleistung im Vergleich zum Placebo tatsächlich weniger stark ab.
Dr. Cuello ist zuversichtlich, dass seine Darreichungsform bald in klinischen Studien getestet wird. Er könnte sich vorstellen, dass Lithium in Kombination mit anderen Wirkstoffen zur Besserung der Symptome beitragen kann. Doch mit finanzieller Unterstützung ist vermutlich vorerst nicht zu rechnen – die Entwicklung eines neuen Wirkstoffes wäre für Pharma-Unternehmen wahrscheinlich profitabler.
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