„Leberkrisen“ in der frühen Kindheit, im Schulalter neurologische Symptome wie Neuropathie und Ataxie: Anzeichen für eine seltene Krankheit, deren Ursache nun mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) identifiziert wurde. Eine Mutation im SCYL1-Gen ist dafür verantwortlich.
Mdf-Mäuse („muscle deficient“) haben ein verkümmertes Kleinhirn und zeigen Symptome wie Muskelatrophie, Ataxie, Tremor und haben auch verdünnte Sehnerven. Dafür verantwortlich ist eine Mutation im SCYL1-Gen der Maus, die von der Forschergruppe rund um Wolfgang M. Schmidt und Reginald E. Bittner von der Neuromuskuläre Forschungsabteilung am Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Universität Wien entdeckt und im Jahr 2007 erstmals beschrieben wurde. Das in der Evolution hoch konservierte SCYL1 stellt ein wichtiges Molekül für den intrazellulären Transport dar. Nun konnten mittels Next-Generation-Sequencing erstmals bei Patienten mit vergleichbaren klinischen Symptomen Mutationen im humanen SCYL1-Gen identifiziert werden.
Bittner, der korrespondierende Autor der Publikation: „Durch die enorme Steigerung der Sequenzierleistung, welche über 100 Millionen Sequenzen pro untersuchtem Individuum erbringt, konnten wir nun erstmals bei drei Patienten Mutationen im SCYL1-Gen identifizieren. Die drei Betroffenen, zwei Geschwister und ein Mädchen aus einer weiteren Familie, leiden an ähnlichen Symptomen wie die mdf-Mäuse. Neben den neurologischen Manifestationen, wie Tremor, Muskelschwäche und Ataxie aufgrund einer Kleinhirnatrophie, litten die Betroffenen zusätzlich in den ersten Lebensjahren wiederholt an lebensbedrohlichen Krisen mit akutem Leberversagen“, beschreibt Bittner die humane SCYL1-Erkankung.
„Unsere Entdeckung hilft den Betroffenen, deren Angehörigen und den behandelnden Ärzten, die molekulargenetische Ursache dieser Erkrankung zu kennen. In diesem Fall war das nur möglich, weil alle Gene der Betroffenen umfassend analysiert wurden – auch jene, welche bisher noch nicht im Zusammenhang mit einer Erbkrankheit beschrieben wurden“, erklärt Erstautor Schmidt. „Auch bei dieser seltenen Erkrankung ermöglicht erst die exakte molekulargenetische Diagnose den Betroffenen, in Zukunft möglicherweise an spezifischen Therapieversuchen teilzunehmen“, so Schmidt. Originalpublikationen: Disruptive SCYL1 Mutations Underlie a Syndrome Characterized by Recurrent Episodes of Liver Failure, Peripheral Neuropathy, Cerebellar Atrophy, and Ataxia Wolfgang Schmdit et al.; American Jounral of Genetics, doi: 10.1016/j.ajhg.2015.10.011; 2015 Mutation in the Scyl1 gene encoding amino‐terminal kinase‐like protein causes a recessive form of spinocerebellar neurodegeneration Wolfgang Schmdit et al.; Embo Reports, doi: 10.1038/sj.embor.7401001; 2007