Das Amyloid-Vorläuferprotein (APP) bildet in der Untersuchung von Alzheimer einen wichtigen Forschungsschwerpunkt. APP ist für die Bildung der Plaques im Gehirn verantwortlich, könnte aber noch in einem anderen Zusammenhang an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sein.
Unter bestimmten Umständen bewirkt das Amyloide-Vorläuferprotein (APP), dass sich im Zellkern kugelförmige Strukturen, sogenannte Sphären, bilden. Diese beeinflussen die Aktivität einiger Gene, was zu einer Änderung der Neurotransmitteraktivität führen kann. APP selbst ist ein in der Zellmembran verankertes Protein. Als solches besitzt es verschiedene Bindestellen, an denen andere Proteine andocken können und damit unterschiedliche Vorgänge auslösen. Eines der Adapterproteine ist FE65. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es mit Hilfe des APP in den Kern der Zelle gelangen. Dort bildet FE65 gemeinsam mit anderen Proteinen die beschriebenen kugelförmigen Strukturen aus. Welchen Einfluss diese auf die Zelle haben, war bisher unklar.
Dr. Thorsten Müller vom Medizinischen Proteom-Center erklärt, wie er und seine Doktorandin Christina Looße vorgegangen sind, um mehr über den möglichen Einfluss der Sphären auf das Gehirn zu erfahren: „Wir haben in unserer Studie ein Zellkulturmodell etabliert, in dem wir die Sphärenbildung gezielt anschalten können. Die angeschalteten Zellen bringen Sphären hervor.“ Verglichen haben die Forscher sie mit ausgeschalteten Zellen, bei denen es nicht zu einer Sphärenbildung kommt. „Dabei kam heraus, dass Zellen, die Sphären ausbilden, eine höhere Expression des Bestrophin 1-Gens zeigen“, so Müller. Bestrophin 1 wurde kürzlich in Zusammenhang mit einer gestörten Neurotransmitteraktivität bei der Alzheimerkrankheit beschrieben. „Erhöhte Werte des Neurotransmitters GABA in der Rückenmarksflüssigkeit von an Alzheimer erkrankten Patienten wurden bereits beschrieben, und unsere Studie könnte Aufschluss über den Zusammenhang der Neurotransmitteränderungen und dem APP liefern“, beschreibt Mülller die Relevanz seiner Forschungsarbeit für die Medizin.
Anders als bisher angenommen könnte das APP also insofern Einfluss auf die Entstehung der Alzheimerkrankheit nehmen, dass es sich auf eine Störung der Neurotransmitteraktivität auswirkt und nicht in erster Linie als Vorläufer der Plaques relevant ist. „Diese Hypothese könnte zukünftig interessante Ansatzpunkte für die Entwicklung von Therapien zur Behandlung der Alzheimerkrankheit bieten“, so Müller. Originalpublikum: Nuclear spheres modulate the expression of BEST1 and GADD45G Christina Looße et al.; Science Direct, doi: 10.1016/j.cellsig.2015.10.019; 2015