Eine 24-jährige Patientin kommt in meine Abteilung. Aufnahmediagnose: Pneumonie. Der Lungenbefall ist enorm. Vielleicht steckt mehr dahinter als eine Lungenentzündung? Mir schießt eine Frage durch den Kopf.
Ich arbeite inzwischen seit vielen Jahren als Chirurg, aber damals war ich Assistenzarzt in der Weiterbildung in einer Inneren Abteilung. Es war Wochenende und ich hatte frei. Bei der Frühbesprechung am Montagmorgen stellte uns eine Kollegin, die Dienst gehabt hatte, eine 24-jährige Patientin vor: Eine Studentin aus Kamerun, die sie am Wochenende aufgenommen hatte. Die Aufnahmediagnose lautete Pneumonie.
Die Patientin sei einige Tagen vor ihrer Aufnahme krank geworden. Sie sei zunehmend kraftlos geworden, atme schwer und habe Fieber bis etwa 39 °C entwickelt. Unsere Station war in verschiedene Bereiche aufgeteilt, für die jeweils eine Ärztin oder ein Arzt zuständig war. Die Patientin wurde in meinem Bereich untergebracht, wie meine Kollegin vorschlug – wohl auch, weil ich selber aus Afrika stamme.
Als ich später auf Station die Patientin zum ersten Mal zu Gesicht bekam, erhielt sie bereits seit 2 Tagen die übliche Behandlung für eine Pneumonie, darunter ein Antibiotikum, jedoch ohne nennenswerte Besserung.
Vorm ersten Moment an zweifelte ich an der alleinigen Diagnose Pneumonie. Vor ihrer Erkrankung sei die Studentin weitestgehend gesund gewesen, hieß es. Dann urplötzlich und ohne erkennbaren Grund, binnen Tagen, so krank? Das wunderte mich.
Obgleich die Laborwerte und insbesondere der röntgenologische Befund für die Pneumonie sprachen, war der Lungenbefall der Pneumonie für so eine junge Patientin enorm. Es war offensichtlich, dass ihre Immunreaktion kläglich versagt hatte. Es musste etwas passiert sein, dass dies ermöglicht haben konnte. Aber was?
Angesichts der Tatsache, dass die Patientin aus Zentralafrika stammte, dachte ich gleich an Malaria. Ich stellte die eine und entscheidende Frage an die Patientin, ob sie in der letzten Zeit vor ihrer Erkrankung zu Besuch in den Tropen gewesen war?
Diese Frage wurde von den diensthabenden Kollegen vom Wochenende leider nicht gestellt. Und siehe da: Ja, sie sei erst etwa 10 Tage zuvor zu Besuch in der Heimat in Kamerun gewesen. Ich zögerte nicht. Ich nahm der Patientin gleich Blut ab und schickte es per Taxi ins entfernte Labor. Begleitend rief ich das Labor an und teilte die Details mit sowie die Brisanz der Untersuchung. Kurze Zeit danach erhielt ich einen Rückruf vom Labor mit der Bestätigung der Malaria tropica. Der Rest war nur noch reine Formalität und wir konnten der Patientin helfen.
Manche Infektionskrankheiten sind tückisch, wenn es um die Erkennung geht. Das gilt auch für die Malaria, wie es in der Leitlinie so schön beschrieben wird:
„Während der Nachweis von Plasmodien im Blutausstrich und/oder Dicken Tropfen das Vorliegen einer Malaria sichert, schließt ein negatives Untersuchungsergebnis diese Erkrankung nicht aus. Zu Beginn einer Malaria können die Parasiten so spärlich sein, dass sie auch im Dicken Tropfen noch nicht nachgewiesen werden können. Bei anhaltender Symptomatik und weiter bestehendem Verdacht auf das Vorliegen einer Malaria soll der Plasmodiennachweis in 12 bis 24-stündlichem Abstand wiederholt werden. Dabei kann Blut unabhängig vom Fieberrhythmus abgenommen werden, da Plasmodien grundsätzlich jederzeit und nicht nur während des Fieberanstiegs nachweisbar sind.“
Bei einer schweren Pneumonie bei offensichtlich vorher gesunden Patienten sollte nach der Frage einer tropischen Krankheit dieser auch nachgegangen werden. Als sehr hilfreich hat sich stets die Frage nach Auslandsaufenthalten erwiesen, insbesondere in den Tropen. Trotz offensichtlicher Aufnahmediagnose (in diesem Fall die Pneumonie) sollte kritisch nach opportunistischen Krankheitserregern nachgefragt werden.
Dieser Beitrag ist von Emmanuel Anyangwe Ngassa. Mit dieser Kasuistik hat der Facharzt für Chirurgie an unserem DocCheck-Wettbewerb Mein kniffligster Fall teilgenommen. Weitere Patientenfälle werden in den nächsten Wochen in unserem Newsletter und auf diesem Kanal veröffentlicht.
Bildquelle: Martin Reisch, unsplash