Ein Patient wird wegen einer Fistel bei uns aufgenommen. Sie hat sich an der linken Hüfte gebildet, die vor einigen Jahren operiert werden musste. Noch ahne ich nicht, dass mich diese Fistel ganz schön auf Trab halten wird.
Ein italienischer querschnittgelähmter Patient mit deutlich begrenzten Deutschkenntnissen wird wegen einer Fistel an der linken Hüfte aufgenommen. Ich arbeite in einer neuroorthopädischen Abteilung mit Querschnittgelähmten. Dekubitus oder Fisteln sind häufige Phänomene und Aufnahmegründe.
Bei diesem Patienten wurde vor Jahren wegen eines Hüftgelenkinfektes der Hüftkopf und der Schenkelhals komplett entfernt (Girdlestone-OP), unter Einlage von Gentamycin-Ketten. Ein paar Jahre später kam es zu einer Fistelbildung in Richtung des alten Infektionsherdes an der operierten Hüfte. Revisionsoperation mit Fistelexzision und Entfernung einiger Kugeln der Gentamycin-Kette. Jetzt erneut seit circa sechs Monaten finden wir eine bestehende tiefe Fistel Richtung Hüftgelenk mit gewissem Abfluß vor, die Umgebung der Fistelöffnung ist reizlos.
Die Diagnostik schließt folgendes mit ein: MRT des Beckens, Kontrastmitteldarstellung der Fistel unter Nativ-Röntgen und CT. Die Fistel reicht wieder bis in die Hüftgelenksregion und endet in der Nähe einer Gruppe von Gentamycin-Kugeln. Hier sieht man geringe entzündliche Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung. Im Labor zeigt sich ein deutlich erhöhtes CRP und deutlich erhöhte Leukozytenzahlen.
Wir entschließen uns zu einer Operation. Eine erneute Fistelexzision ist vorgesehen. Sie gelingt durch allmähliche Umschneidung bis in die Tiefe, sodass die Fistel in toto ohne Eröffnung in der Tiefe entfernt werden kann. Einige Gentamycinkugeln wurden mit exzidiert. Weitere Gentamycinkugeln sind im gesamten Exzisionsbereich nicht zu ertasten. Die Wundoberfläche sieht blande und nicht entzündlich aus. Daher folgt der Entschluss zum primären Verschluss mit Mobilisation des umgebenden Gewebes und Redon-Einlage nach ausgiebiger Spülung. Die Redon wird stufenweise gezogen.
Weiter geht es mit den postoperativen Maßnahmen. Zunächst gilt eine Bettruhe für 14 Tage. Dann folgt bei reizlosen Wundverhältnissen im Bett ein steigerndes Durchbewegen der Hüfte, bis ohne wesentlichen Stress für das Gewebe an der Hüfte eine 90°-Beugung wie in der sitzenden Position im Rollstuhl erreicht ist.
Im nächsten Schritt wird die Rollstuhlbelastung mit anfangs nur 30 Minuten langsam gesteigert. Im postoperativen Verlauf gibt es Laborkontrollen. Ergebnis: Das CRP und die Leukozytenzahlen sinken, das CRP schneller als die Leukozyten, was zunächst nicht verwundert. Nach circa vier Wochen liegt ein weitgehend zurückgegangenes CRP vor. Doch die Leukozytenzahlen sind immer deutlich erhöht, um 13.000 bis 15.000. Es wächst der Verdacht auf eine mögliche tiefe erneute Entzündung bei äußerlich blanden Wundverhältnissen. Oder ist es doch etwas anderes?
Die MRT-Diagnostik ergibt: Geringe Flüssigkeitsansammlung als Restflüssigkeit bei Wundheilung gewertet – oder bei Beginn eines noch nicht deutlichen erneuten tiefen Infektes. Das bedeutet eine Verlängerung des stationären Aufenthaltes um zunächst 14 Tage zu weiteren Labor- und MRT-Kontrollen. In diesen Laborkontrollen stellen wir schließlich ein normalisiertes CRP bei unverändert erhöhten Leukozyten fest. Befragungen des Patienten unter eingeschränkten Übersetzungsmöglichkeiten ergaben, dass zwar öfter im prästationären Verlauf Laborkontrollen durchgeführt worden waren, aber niemals eine Leukämie festgestellt bzw. getestet wurde.
Im Verlaufs-MRT sehen wir eine gering zurückgegangene Flüssigkeitsansammlung und keine progredienten Entzündungszeichen. Insgesamt, mit dem Verlauf als Wertung, also eine langsame Wundheilung ohne Infekt. Im Verlaufslabor zeigt sich weiterhin ein normales CRP und erhöhte Leukozytenzahlen. Daher werden nun auch Untersuchungen auf Leukämie veranlasst, die diese Diagnose bestätigen.
Anfangs hatte man die beiden erhöhten Entzündungswerte immer beide im Zusammenhang mit der Fistelbildung sehen können, was sicher auch schlüssig bei früheren Untersuchungen geschehen war. Nur bei dem jetzt günstigen Wundheilungsverlauf ergaben sich Diskrepanzen.
Mein Fazit: Dranbleiben, wenn die Befunde und/oder die Symptomatik nicht zusammenpassen.
Dieser Beitrag ist von Sabine Störmer. Mit dieser Kasuistik hat die Orthopädin an unserem DocCheck-Wettbewerb Mein kniffligster Fall teilgenommen. Weitere Patientenfälle werden in den nächsten Wochen in unserem Newsletter und auf diesem Kanal veröffentlicht.
Bildquelle: André Noboa, unsplash