Mein Patient mit unspezifischem Kreuzschmerz will unbedingt seine Diclo-/Dexa-Spritze haben: „Die hab ich doch schon immer bekommen.“ In den Leitlinien wird seit Jahren aber wegen Nebenwirkungen davon abgeraten. Was darf ich tun?
Es gibt bestimmte Patienten, die ganz klare Wünsche haben. Wie ich mit diesen Kandidaten umgehe und dabei meine wichtigste Aufgabe als Ärztin nicht aus dem Blick verliere, habe ich in einem anderen Artikel beschrieben. Hier geht es jetzt um die juristischen Aspekte solcher Begegnungen.
So muss man zum Beispiel folgende Passage des Arztstrafrechts beachten:
„Rechtlich betrachtet stellt jeder ärztliche Heileingriff (Röntgen, Spritzen, Verordnen von Medikamenten) eine Körperverletzung (§ 223 StGB) dar. Eine Körperverletzung, die mit Einwilligung des Patienten geschieht, ist allerdings straffrei. Der Arzt muss also vor jeder Maßnahme eine Einwilligung des Patienten einholen, wobei eine wirksame Einwilligung eine vorherige Aufklärung voraussetzt (vgl. Aufklärungspflicht).“
Wenn wir diese Aussage auf Eingangsbeispiel beziehen: Heißt das jetzt, dass der Patient mir sagen kann „Ich will das Medikament haben, damit ist die Einwilligung gegeben, so dass keine Körperverletzung vorliegt“? Das glaube ich nicht, eben weil der Patient es oftmals nur schlecht abschätzen kann.
Ein Chirurg würde sich ja auch weigern, eine Gallenblase rauszuoperieren, nur weil der Patient das will, sondern er wird auch schauen, dass er eine entsprechende Indikation hat. Hier gilt meines Wissens der zitierte Spruch Primum nihil nocere – Erstens nicht schaden. Und mein in einem vergangenem Artikel erwähntes Beispiel der fortgeschritten Nierenfunktionsstörung zeigt, dass es bei Metformin manchmal besser sein kann, das Medikament zu pausieren. Und zwar auch dann, wenn die Blutzuckerwerte kurzfristig steigen. Die Medikamentengabe selbst stellt in diesem Fall das gefährlichere Risiko dar.
Es bleibt außerdem die Frage, wie ein Patient reagiert, wenn plötzlich ein Schaden eintritt. Natürlich betonen alle Patienten, dass sie einen nie im Leben verklagen würden, wenn ein Schaden eintritt, während man tut, was sie wollen. Aber ist das wirklich so?
Ein Klassiker dazu ist mein eingangs beschriebenes Szenario mit der Spritze: Ein Patient mit unspezifischem Kreuzschmerz will unbedingt seine Diclo-/Dexa-Spritze haben, weil er die „schon immer bekommen hat“. Die Frage danach kommt immer wieder vor, auch wenn sich bereits seit Jahren die Leitlinien dazu klar positioniert haben: „Intravenös, -muskulär oder subkutan applizierbare Schmerzmittel, Lokalanästhetika, Glukokortikoide und Mischinfusionen sollen nicht zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen angewendet werden.“
Was tun? Der Patient will diese Spritze haben. Wenn er aber dann einen Abszess mit kompliziertem Verlauf oder eine Anaphylaxie entwickelt – reicht es dann, wenn ich ihm „Sie wollten das aber so“ sage?
Um das auch hier nochmal klarzustellen: Insgesamt sind es bislang nur wenige Patienten, mit denen ich diese Diskussionen führen muss. Aber gerade die Zahl der Patienten, die Medikamente ohne Blutkontrolle haben wollen, nimmt meines Erachtens deutlich zu. Die Fragen nach den oben erwähnten Spritzen bei Rückenschmerzen werden bei mir persönlich eher weniger, weil unsere Patienten wissen, warum ich davon nichts halte und dass ich es einfach nicht mache. Was die Patienten leider nicht von einer Behandlung abhält, denn viele gehen dann einfach zu anderen Ärzten.
Natürlich kündige ich den Patienten vorher an, dass beim nächsten Mal die Blutabnahme fällig ist, weil ich sonst irgendwann die Verordnung bestimmter Medikamente nicht mehr verantworten kann. Aber ich muss als Arzt auch die Möglichkeit dazu haben, sonst ist eine Verschreibungspflicht einfach unnötig.
Holt der Patient seine Rezepte jeweils selbst ab, frage ich ihn oftmals direkt, ob wir jetzt sofort eben Blut abnehmen können, damit das Ganze erledigt ist. Das ist nicht immer die optimale Lösung, weil bei uns das Blut um 9:30 Uhr für das Labor abgeholt wird und sonst bis zum nächsten Morgen steht, aber es ist besser als nichts.
Als Alternative biete ich jeweils an, dass wir jetzt sofort einen Termin machen für die Laborkontrolle. Erscheint der Patient dann nicht oder schickt immer wieder einen Angehörigen, um die Rezepte abzuholen, kündige ich an, warum ich auf Dauer das Rezept nicht mehr geben kann. Das wird dann auch entsprechend dokumentiert.
Reicht das immer noch nicht, wird nur noch eine kleine N1-Packung verschrieben mit der Ansage, dass das die letzte ist. Wenn der Patient dann immer noch nicht erscheint (er hat ja dann wieder ca. 4 Wochen Zeit bei den meisten Medikamenten), würde ich es nicht mehr verschreiben.
Dieser Fall ist bisher aber glücklicherweise noch nicht eingetreten. Denn dann wäre meiner Meinung nach das Arzt-Patienten-Verhältnis so sehr geschädigt, dass sich besser jemand anderes um diesen Patienten kümmert. Wie in so vielen Bereichen des Lebens – professionell oder persönlich – gilt auch hier: Ohne Vertrauen geht es einfach nicht.
Bildquelle: Ravi Patel, unsplash