Die besten Zeiten des Steri sind vorbei. Weg von Mehrweg, hin zu Einweg. Doch was, wenn die Schere im entscheidenden Moment nicht schneidet?
„Geh mal runter in den Steri! Wir brauchen unbedingt noch weitere Verbandscheren.“
Ein fast tägliches Procedere für mich als Krankenpflegepraktikantin, Famulantin oder auch als PJ-lerin. Auf dem Weg in den Operationssaal oder zurück von der Kantine noch kurz die Instrumente auf Station auffüllen. Schließlich müssen für die täglichen Verbandswechsel die Scheren und Pinzetten vorhanden sein. Bei 40 Patienten kommt da Einiges zusammen.
Wie viele Siebe brauchen wir wirklich?
Zum Glück fällt das seit geraumer Zeit weg. Kein Gang mehr in den Steri, keine unnötigen Meter für den Schrittzähler. Ohnehin hätten wir kein Personal mehr, das für solche Tätigkeiten in Frage kommt. Die Krankenpflegepraktikanten, Famulanten und PJ-ler werden an anderer Stelle gebraucht.
Unser Krankenhaus hat endlich den Steri minimiert. Die Siebe mussten nun von den Abteilungen genau kalkuliert werden. Wie viele Siebe für die Instrumente brauchen wir wirklich. Schaffen wir mehr als 8 Endoprothesen am Tag? Was machen wir, wenn noch ein weiterer Femurnagel in der Nacht gemacht werden soll? Wie viele Siebe müssen tatsächlich im Haus sein und welche Siebe können im Hauptkrankenhaus 30 km entfernt gelagert werden? Vielleicht könnten die Instrumente zur Not zu uns gebracht werden? Das Personal im Steri wurde reduziert, manche Instrumente werden nun von extern verwendet oder extern sterilisiert.
Das geht ja auch per Mail
Nicht nur der Gang in den Steri fällt weg. Auch der wöchentliche Austausch mit den niedergelassenen Chirurgen ist vom Wochenplan gestrichen. Denn auch ihre geringen Mengen an Instrumentarien werden nun nicht mehr von unserem Steri sterilisiert. Hat sich ja ohnehin nicht gelohnt. Das Gespräch war allerdings meistens ganz nett und informativ. Manchmal konnte man sogar einige Fragen klären oder die Kollegen erkundigten sich nach einem ihrer Patienten. Naja. Geht ja auch am Telefon oder über Email. Wo sie jetzt allerdings ihre Instrumente sterilisieren, weiß ich nicht. Vielleicht sind sie ja auf Einwegmaterialien umgestiegen.
Bei uns gibt es jetzt auf Station auch endlich Einwegscheren und Einwegpinzetten. Kein Suchen, kein Rennen, kein Warten auf den Steri. Packung auf und wenn man fertig ist, einfach in die Tonne. Wie praktisch.
Das Problem: sie schneiden nicht
Wäre da nicht ein kleine Nebensache: sie schneiden nicht. Zumindest nicht beim ersten Mal. Aber wenn man Glück hat, schneidet die zweite Schere. Oder eben die dritte. Muss man eben ein wenig Zeit investieren. Durch die dicken Verbände habe ich allerdings auch mit Zeit keine Chance. Wenn ich nicht meine dicke Verbandschere von früher heimlich an mich gekettet hätte und behüten würde wie meinen Schatz, bliebe mir nur frustriertes Säbeln ohne Erfolg.
Mein genervtes Gejaule, wenn ich mal mit einer Schere arbeiten muss, die ihre Arbeit nicht leistet, trifft meistens die Falschen. Wie auch das Gebrüll meines Chefarztes, wenn er wieder ein Instrument in seinem Sieb findet, das da überhaupt nicht hingehört. Oder er eben solches vermisst, weil es fehlt. Ganz besonders tragisch wird es, wenn er feststellt, dass einige Instrumente nicht in der Qualität gereinigt wurden wie wir es aus unserem Steri kannten. Dann wird es laut. Aber leider kann er nicht mal wie sonst in den Steri laufen und die „Schuldigen“ beschreien. Obwohl, geht vielleicht auch durchs Telefon. Oder per Mail?
Mittlerweile muss ich auf Station immerhin niemanden mehr finden, der zum Steri rennt. Nur noch einen, der die Müllsäcke abtransportiert.
Bildquelle: Mariana JM, unsplash