Madonna macht es, Nick Nolte hat schon dafür geworben und Manuel Neuer setzt darauf: Die Rede ist von Eigenbluttherapien. Doch das Verfahren hat Schwächen ohne Ende. Ein Überblick.
Eigenbluttherapien sind bei Prominenten groß in Mode. VIPs hoffen auf schnellere Heilung nach Sportverletzungen, auf Hilfe bei Haarausfall oder wollen das Altern verlangsamen. Alles für viel Geld natürlich. Und jede Schlagzeile über angeblich verjüngte Promis mit Eigenbluttherapie verschafft Ärzten neue Kunden – Celebrities sind die besten Werbeträger. Doch das Verfahren ist höchst fragwürdig.
Das beginnt schon bei der Methodik selbst. Die Eigenblutbehandlung an sich existiert nicht. Beim Verfahren werden wenige Tropfen bis mehrere hundert Milliliter Blut abgenommen und aufbereitet. Beliebt sind UV-Licht, Ozon, homöopathische Präparate oder Nosoden als Zusatz. Danach wird das Blut reinfundiert, mitunter aber auch in den Muskel gespritzt oder zum Einnehmen gegeben.
Plättchenreiches Plasma aus Vollblut findet teilweise in der Orthopädie oder Kieferchirurgie Anwendung, um das Knochenwachstum zu verbessern. Allein die Heterogenität an Methoden gibt zu denken. Doch wie sieht es mit der Evidenz aus?
Experten vom IGeL-Monitor analysierten mehrfach die wissenschaftliche Literatur. „Die in die Übersichtsarbeiten eingeschlossenen Studien sowie die Studien, die bei einer Aktualisierung im August 2014 gefunden wurden, ergaben keine Hinweise auf einen Nutzen, der über eine Vergleichstherapie hinausgeht“, so ihr Fazit.
Und weiter heißt es: „Die positiven Ergebnisse einzelner, nicht aussagekräftiger Studien reichen für einen Nutzenbeleg nicht aus. Auch wenn eine Studie keine Nebenwirkungen gezeigt hat, die über eine Vergleichstherapie hinausgehen, sehen wir dennoch Hinweise auf einen geringen Schaden.“
Sie argumentieren, dass solche Interventionen generell mit einem Risiko verbunden seien, etwa aufgrund von Verunreinigungen oder kritischen Veränderungen des Bluts außerhalb des Körpers.
Zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis kamen Forscher von Cochrane Österreich. „Aufgrund lediglich drei vorliegender RCTs, wovon zwei methodisch schlecht durchgeführt waren und einer nur eine sehr kleine PatientInnenanzahl inkludierte, ist die Stärke der Evidenz unzureichend, um eine Aussage über die Wirksamkeit von Eigenblutinjektionen bezüglich der Reduktion von Schmerzen bei Epikondylitis radialis zu tätigen“, heißt es als Fazit.
Bizarre Formen nahm der Streit um Evidenz bei Orthokin®-Therapien im Jahr 2013 an. Hier wird Blut in Spritzen mit Glaskügelchen inkubiert. Das soll, so die Theorie, zur Bildung antientzündlicher Zytokine führen – als Therapie gegen Arthrose oder Rückenschmerzen.
Selbst Hollywood-Größen wie Nick Nolte warben für das Verfahren. Damals äußerten sich Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie kritisch zur Orthokin®-Therapie – und hatten prompt Post vom Anwalt des Herstellers im Briefkasten.
Das Arznei-Telegramm sprach vom „Versuch, eine Fachgesellschaft mundtot zu machen“. Inzwischen haben Rheumatologen Prozesse bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gewonnen. Ende 2015 untersagten Richter in einem weiteren Prozess Heilberuflern, mit vermeintlichen Effekten des Verfahrens zu werben.
Hintergrund ist die fehlende Evidenz. Dazu ein Blick in wissenschaftliche Studien. Die untersuchten Studien hatten methodische Schwächen bei der Randomisierung (Baltzer et al.). Zwei weitere Papers (Yang et al., Becker et al.) konnten keinen Nutzen im Vergleich zu Placebo nachweisen.
Alvarez-Camino JC et al. befassten sich im Zuge einer Literaturrecherche speziell mit dem Kiefergelenk, ohne fündig zu werden. Im Jahr 2019 verglich von Wehren et al. Exzentrisches Training und Orthokin® bei Achillessehnen-Tendinose. Die Ergebnisse überzeugen nicht wirklich: In beiden Fällen besserten sich MRT-Befunde – die Autoren sehen Hinweise auf einen besseren Langzeitnutzen beim Blutprodukt. Sie werteten ihre Daten aber nur retrospektiv aus, und beide Gruppen wurden nicht radomisiert.
Dr. Stefan Sauerland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vermutet hinter vermeintlichen Wirkungen von Orthokin® eher Placebo-Effekte: „Je aufwendiger eine Behandlung, desto größer die subjektiv empfundene Wirkung einer eigentlich unwirksamen Scheintherapie“, so der Experte gegenüber der Apotheken Umschau. Dieses Phänomen sei bereits wissenschaftlich gut belegt.
Nicht zuletzt arbeiten Orthopäden, Chirurgen oder Kieferchirurgen mit plättchenreichem Plasma (Platelet Rich Plasma oder PRP). Es wird durch Zentrifugation aus Vollblut hergestellt und dann gespritzt oder in Kavitäten des Kieferknochens gegeben – als mögliche Quelle von Wachstumsfaktoren.
Bei Rupturen der Achillessehne erwies sich PRP als völlig nutzlos (Keene et al.). Zumindest gibt es bei Arthrose Hinweise auf eine stärkere Schmerzlinderung und eine stärkere Verbesserung von Funktionen unter PRP, verglichen mit Kochsalzlösung (Dai et al.).
Deutlich schlechter sieht die Datenlage bei Knochenaugmentationen, sprich dem Aufbau von Knochensubstanz mit PRP aus, wie ein Review von Pocaterra et al. gezeigt hat. Von den betrachteten Studien gab es nur bei einer Studie einen signifikanten Unterschied in der Knochenaugmentation zugunsten der zusätzlichen Anwendung von PRP, während vier Studien keinen signifikanten Unterschied fanden.
Krankenkassen scheint die schlechte Datenlage teils wenig zu stören. Laut Recherche bei „Krankenkassen Deutschland“ erstatten derzeit zehn GKVen solche Leistungen ganz oder teilweise.
Es gibt aber auch kritische Stimmen. „Ein wissenschaftlicher Nachweis über die Wirksamkeit der Eigenbluttherapie fehlt. Anerkannte Studien zu diesem Therapieverfahren gibt es nicht“, schreibt die TK auf ihrer Website.
Nach aktueller Rechtsprechung (u.a. Verwaltungsgericht Münster, Verwaltungsgericht Düsseldorf) gilt der Arztvorbehalt. Heilpraktiker dürfen das Verfahren nicht mehr anwenden. Das sehen Heilpraktiker-Verbände anders. Warten wir auf höchstrichterliche Urteile. Man darf dabei nicht vergessen: Auch Ärzte zaubern keine Evidenz herbei.
Bildquelle: Mae Mu / Umsplash