Keine Steuergelder für Globuli: In Großbritannien häufen sich kritische Stimmen gegen die Erstattung homöopathischer Mittel. Deutschland rudert gegen den Strom – etliche GKVen nehmen Behandlungen und Präparate freiwillig in ihren Leistungskatalog auf. Was steckt dahinter?
Schwarze Gewitterwolken im Vereinigten Königreich: Minister der britischen Regierung wollen verhindern, dass Steuergelder in alternative Behandlungsmethoden fließen. Sie fordern, homöopathische Präparate auf eine „Black List“ des National Health Service (NHS) zu setzen. Das Dokument ist mit unserer Arzneimittel-Richtlinie vergleichbar und regelt, welche Pharmaka nicht zu Lasten des NHS verordnet werden dürfen. Gesundheitsökonomen sprechen aktuell von vier Millionen Pfund (5,7 Millionen Euro) pro Jahr für homöopathische Präparate und für homöopathische Krankenhäuser.
George Freeman, seines Zeichens Life Science Minister, sagte angesichts dieser Zahlen, NHS-Gelder sollten „nur für sinnvolle Medikamente ausgegeben werden“. Und selbst Gesundheitsstaatssekretär Jeremy Hunt schwenkte um. Noch vor drei Jahren hatte ihn der „New Scientist“ wegen seiner Äußerungen zugunsten alternativer Therapien als „Minister for Magic“ verspottet. „Wenn die Ressourcen knapp werden, sollten wir uns auf die Evidenz besinnen“, sagt Hunt jetzt. Wie kam es zur Kehrtwende? Bereits 2010 stellte der Unterausschuss für Wissenschaft und Technik am britischen Parlament fest, homöopathische Präparate seien „nicht besser als Placebo“. Das Papier sorgte für viel Gesprächsstoff, zeigte aber keine politische Wirkung. Funktionäre der „Good Thinking Society“ ließen nicht locker. Die Organisation hat sich eigenen Angaben zufolge dem „rationalen Denken“ verschreiben; sie steht „für Wissenschaft, gegen Pseudowissenschaft“. Mit einer Kampagne setzten sie NHS-Verantwortliche und Politiker massiv unter Druck, indem sie staatliche Ausgaben für Homöopathie detailliert aufschlüsselten. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass der NHS Steuergelder für „Zuckerpillen“ ausgebe, heißt es im Blog. Freeman selbst rechnet in 2016 mit einer Entscheidung zum weiteren Vorgehen.
Es ist kein Einzelfall. Auch in den USA brodelt es gewaltig. Kritiker warfen der Food and Drug Administration (FDA) vor, bislang recht wenig in Sachen Aufklärung unternommen zu haben. Jeder dritte Amerikaner nutzt alternative Therapien; der gesamte Markt ist 3,9 Milliarden US-Dollar (3,6 Milliarden Euro) schwer. Viele Bürger vertrauen der FDA und nehmen an, homöopathische Präparate würden ähnlich streng überwacht wie Arzneimittel. Im April reagierte die Behörde und lud Experten zum Hearing ein. Kritiker argumentierten mit Hinweis auf eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse. Das australische National Health and Medical Research Council resümiert, homöopathische Mittel seien „nicht wirksamer als Placebo“. Es gebe keine Evidenz für Effekte. Jetzt sind amerikanische Arzneimittelbehörden unter Zugzwang, wobei Patienten im Regelfall ihre Kosten selbst tragen.
Gesundheitspolitiker aus Deutschland stört die Kontroverse nicht. Im Gegenteil: Seit Einführung ihres GKV-Modernisierungsgesetzes und ihres GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes haben Kassen große Spielräume, um mit Leistungserbringern Selektivverträge abzuschließen – auch bei umstrittenen Behandlungsmethoden. Vereinbarungen bestehen zwischen etlichen Kassen und der Managementgesellschaft des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte. Versicherte, die sich beteiligen, erhalten ohne Zuzahlung Erstanamnesen, Folgeanamnesen, homöopathische Analysen und Beratungen. Damit nicht genug: Seit einigen Monaten prangt auf grünen Rezepten folgender Hinweis: „Dieses Rezept können Sie bei vielen gesetzlichen Krankenkassen zur Voll- oder Teilerstattung als Satzungsleistung einreichen.“ Etliche GKVen übernehmen Kosten für homöopathische, anthroposophische oder pflanzliche Arzneimittel, obwohl sie ansonsten rigoros sparen.
Professor Dr. Norbert Schmacke vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen hat sich auf die Suche nach möglichen Gründen gemacht. Er moniert, der deutsche Gesetzgeber schütze die Homöopathie als besonderes Therapieverfahren. Entsprechende Behandlungsansätze würden bereits legitimiert, falls Befürworter diese für ausreichend begründet hielten und falls eine Nachfrage unter Patienten bestehe. „Der Glaube an die Wirkung von Globuli reicht nicht“, so Schmacke weiter. Kranke würden nicht darüber aufgeklärt, dass nach vorliegender wissenschaftlicher Evidenz der erlebte Nutzen der Homöopathie ausschließlich auf Placeboeffekte zurückzuführen sei. Damit nicht genug: Homöopathen versprächen sogar Heilungserfolge durch Homöopatika bei gravierenden Erkrankungsbildern wie Krebs und Schlaganfall. Schmacke fordert vom Gesetzgeber, diese „überkommene Tradition der Sonderbehandlung besonderer Therapieverfahren“ zu beenden. Er nimmt auch Ärzte in die Pflicht, besser mit Patienten zu kommunizieren