In Mangrovenpflanzen befinden sich Wirkstoffe gegen antibiotikaresistente Keime mit großer Ähnlichkeit zu den synthetisch produzierten Sulfonamiden. Die Naturstoffe verfügen über einen neuen Wirkmechanismus, der es ihnen ermöglicht, Erreger überraschend anzugreifen.
Während die meisten Antibiotika aus Bakterien und Pilzen gewonnen werden, entstehen die bislang bekannten Sulfonamide im Reagenzglas und wurden in der Natur nie gefunden. Umso überraschter waren die Wissenschaftler, als sie ähnliche Verbindungen in Bakterien entdeckten, die natürlicherweise in Mangrovenpflanzen leben. „Teile der Wirkstoffe, die wir gefunden haben, haben frappierende Ähnlichkeit mit den alten Verbindungen aus dem beginnenden 20. Jahrhundert“, weiß Martin Baunach vom Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena. „Schaut man sich dann aber den genauen Aufbau an, so stellt man fest, dass sie sich in einem für die Wirkung wichtigen Abschnitt unterscheiden. Demnach scheint die Natur nicht dieselben Mechanismen zu nutzen, die die synthetischen Stoffe zu solch wirksamen Antibiotika macht – vielmehr handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen neuartigen Wirkmechanismus“ ergänzt Baunach.
Die Unterschiede zu den synthetisch hergestellten „klassischen“ Sulfonamiden könnten sich nun als Vorteil für die neuen Naturstoffe erweisen: Vor allem im Einsatz gegen multiresistente Krankheitserreger sind Wirkstoffe mit abweichendem chemischen Aufbau von Bedeutung. Sie können gefährliche Erreger anders und in unerwarteter Weise ‚angreifen‘ und eignen sich somit für die Weiterentwicklung zum Medikament. Originalpublikation: Bacterial Synthesis of Unusual Sulfonamide and Sulfone Antibiotics by Flavoenzyme-Mediated Sulfur Dioxide Capture Martin Baunach et al.; Angewandte Chemie, doi: 0.1002/anie.201506541; 2015