Kostenlose Verblisterung oder Rx-Boni für Ärzte: Apotheker verschaffen sich mit etlichen Services Vorteile gegenüber Konkurrenten im Markt. Auf das Antikorruptionsgesetz sollte niemand hoffen: Viele Passagen bleiben nebulös. Erst die Rechtsprechung wird für mehr Klarheit sorgen.
Inhaber sind nicht um Ideen verlegen, damit sie sich gegenüber Kollegen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Wenig überraschend: Mit vielerlei Tricks versuchen sie, an begehrte Kassenrezepte zu kommen. Nicht immer bleibt die Weste weiß.
Eigene Recherchen aus dem Raum München haben mehrere Strategien zu Tage gefördert: Inhaber buhlen um die Gunst von Heimen oder ambulanten Pflegediensten, indem sie kostenlose Verblisterungen anbieten. Andere setzen lediglich kleine Gebühren an, häufig einen Euro pro Woche und Person. In einem Fall forderte das Heim vom Apothekenleiter vor Vertragsabschluss Geld für eine neue Personenwaage. Er lehnte dankend ab. Andere Apotheker schicken ihre Fahrer los, um für Heimpatienten Rezepte beim Arzt einzusammeln. Rx-Boni kommen ebenfalls vor, wie eine Kollegin berichtet. Dabei ging es um die Belieferung von Arztpraxen mit Botulinumtoxin. Ehrliche Kollegen sind frustriert. Sie hoffen jetzt auf das Antikorruptionsgesetz.
Die Regierung plant, neue Straftatbestände einzuführen. Neben inhaltlichen Änderungen an bestehenden Passagen des Strafgesetzbuchs (StGB) schlagen Juristen mehrere Ergänzungen vor. Ein neuer Paragraph 299a StGB befasst sich mit Aspekten zur Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Demnach wird bestraft, wer bei der „Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt“. Mit Sanktionen muss auch rechnen, wer „einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt“.
Soviel zur Bestechlichkeit. Im ebenfalls neu einzuführenden Paragraph 299b StGB wird es um Bestechung gehen. Wer Gegenleistungen anbietet, verspricht oder gewährt, um „bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Die Regelung gilt auch bei Verstößen gegen berufsrechtliche Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit.
Große Worte. Auf konkrete Situationen übertragen, zeigen die Ergänzungen etliche Schwächen. Verlieren Apotheker ihre heilberufliche Unabhängigkeit, sollten sie Heimen oder Pflegediensten Vorteile durch kostenlose Blister anbieten oder Rezepte abholen? Nach klärenden Details sucht man im StGB vergebens. Folglich greift das sogenannte Bestimmtheitsgebot. „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“, heißt es im Grundgesetz, Artikel 103. ABDA-Experten fordern vom Gesetzgeber, klar zu regeln, welche Handlungen oder Verhaltensweisen zum Verlust der heilberuflichen Unabhängigkeit führen. Andere Passagen haben Politiker tatsächlich überarbeitet, verglichen mit dem ursprünglichen Referentenentwurf. „Bei branchenüblichen und allgemein gewährten Rabatten und Skonti kann es bereits an der Unrechtsvereinbarung fehlen, da diese nicht als Gegenleistung für eine konkrete Bezugsentscheidung gewährt, sondern allgemein gegenüber jedermann angeboten werden“, heißt es deutlich präsziser. Dieser Passus gilt für Geschäftsbeziehungen mit Großhändlern, aber auch mit Heimen oder Pflegediensten. Auf ärztliche Verordnungen haben Pharmazeuten oder Pflegekräfte keinen Einfluss. Ob kostenlose, aber branchenübliche Leistungen Wettbewerber „in unlauterer Weise“ benachteiligen, müssen Gerichte klären. Schon vor Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes gab es in diesem Zusammenhang ein interessantes Urteil.
Ratiopharm hatte mehreren Apothekern Medikamente zur Verblisterung vergünstigt überlassen. Das ließen sich Konkurrenten nicht gefallen. Sie sahen darin einen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und einen nicht erwünschten Wettbewerb. Der Hersteller argumentierte, er habe lediglich Teilmengen aus Packungen entnommen – hier greife die AMPreisV nicht. Sowohl das Landgericht Ulm als auch das Oberlandesgericht Stuttgart hielten an der Preisbindung fest. Ratiopharm legte Berufung ein – und bekam schließlich Recht. Der Bundesgerichtshof hob alle Urteile auf und wies die Klage ab (Az. I ZR 185/13). „Keine Bindung der Preise der Apotheken besteht gemäß Paragraph 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AMPreisV bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“, heißt es zur Begründung. Apotheken gäben Fertigarzneimittel in Teilmengen ab. Dass über Wochen oder Monate hinweg die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung ausgeliefert werde, schließe die Anwendung der Norm nicht aus.
Das Urteil zeigt, wie komplex und auslegungsbedürftig arzneimittelrechtliche Normen schon heute sind. Mit dem neuen Antikorruptionsgesetz werden Gerichte kaum arbeitslos. Auf ihnen lastet die Verantwortung, schwammige Begriffe zu präzisieren.