Ein junges Mädchen stellt sich mit Schmerzen im Oberbauch in einer Klinik vor. Auslöser ist ein seltsamer Fremdkörper.
Ein 14-jähriges Mädchen stellt sich mit seit fünf Tagen anhaltenden Oberbauchschmerzen in der Klinik vor. Die Schmerzen werden immer stärker und bald kommen auch Übelkeit und Erbrechen hinzu. Weitere Symptome oder eine wesentliche medizinische Vorgeschichte gibt sie nicht an.
Bei der klinischen Untersuchung ist die Patientin stabil und nicht fiebrig. Das Abdomen ist bei Palpation weich mit Spannung im Oberbauch. Zudem ist eine Alopezie der hinteren Kopfhaut auffällig. Die Laboruntersuchungen zeigen eine Leukozytose (10,53x109 Zellen/l), Neutrophilie (89,9 %) und erhöhte Amylasewerte im Serum (1244 U/l). Die restlichen Untersuchungen inklusive Tests der Leberfunktion sind unauffällig – es können auch keine Abweichungen im Lipidprofil und bei den Calciumwerten festgestellt werden.
Anschließend führen die Ärzte eine Sonografie des Abdomens durch. Dabei entdecken sie eine unklare Masse; doch sonst weiter kein Hinweis auf die Ursache des Unwohlseins der Patientin. Sie entscheiden sich, eine CT-Untersuchung anzuordnen, in der Hoffnung dadurch bei der Diagnose einen Schritt weiter zu kommen.
Die Bilder liefern tatsächlich den entscheidenden Hinweis: Die Ärzte diagnostizieren eine Pankreatitis mit peripankreatischen Lipidablagerungen. Zusätzlich können sie den ersten Verdacht, den sie aufgrund der Sonografie hatten, bestätigen: Sie sehen zwei Fremdkörper im Magen und proximalen Jejunum – sogenannte Bezoare. Anschließend führen sie eine Gastroskopie durch, die zeigt, dass es sich um Trichobezoare, also Haarballen, handelt. Allerdings ist das Konvolut im Magen so groß, dass eine Entfernung über das Gastroskop nicht möglich ist.
Da das Mädchen weiterhin erbricht, legen die Ärzte zunächst eine transnasale Magensonde. Dann führen sie eine Laparotomie durch und entfernen chirurgisch die Bezoare. Aus dem Magen holen sie einen 14 x 4 Zentimeter großen, 250 g schweren, faulig-riechenden Haarballen und aus dem Jejunum einen zweiten, kleineren Bezoar. Postoperativ untersuchen die Ärzte den Magen-Darm-Trakt mit Amidotrizoesäure auf Undichtigkeiten, können jedoch keine feststellen.
Die weitere Genesung der Patientin verläuft ohne Komplikationen. In einem psychiatrischen Konsil stellt sich heraus, dass die Patientin bereits seit zwei Jahren immer wieder ihre eigenen Haare ausreißt und anschließend isst – insbesondere beim Fernsehen oder bei Verärgerung. Es werden Trichophagie und Trichotillomanie – auch bekannt als Rapunzel-Syndrom – diagnostiziert. Zur langfristigen Behandlung werden eine Psychoedukation und regelmäßige Nachuntersuchungen angeordnet.
Textquelle: Al Qaseer et al. / BMJ Case ReportsBildquelle: Brooke Lark / Pexels