Mit einer neuen Methode kann man die Ordnung und Ausrichtung der Nanostrukturen innerhalb eines Knochenstücks sichtbar machen. Diese Eigenschaften bestimmen die Stabilität eines Knochens. Die Bildtechnik könnte somit der Erforschung der Osteoporose zugutekommen.
Die Daten wurden an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) des Paul Scherer Instituts (PSI) gewonnen, wo ein rund zweieinhalb Millimeter langes Knochenstück mit einem extrem feinen und intensiven Röntgenstrahl durchleuchtet wurde. Dieser Strahl rastert über die Probe und vermisst sie so Punkt für Punkt. Dadurch kann an jedem Messpunkt die lokale Nanostruktur bestimmt werden. Allgemein eignet sich die Methode nicht nur zur Untersuchung biologischer Objekte, sondern auch zur Entwicklung zukunftsträchtiger Materialien. Bisher ließen sich nur zweidimensionale Proben auf diese Art abrastern und untersuchen. Klassischerweise werden die Untersuchungsobjekte daher in sehr dünne Scheiben geschnitten. „Allerdings lässt sich nicht jedes Objekt beliebig dünn schneiden“, erklärt Manuel Guizar-Sicairos. „Und manchmal zerstört oder verändert man dabei gerade die Nanostruktur, die man untersuchen wollte.“ Auch ist ganz grundsätzlich eine zerstörungsfreie Methode vorzuziehen, bei der also das Untersuchungsobjekt nach der Messung noch zur Verfügung steht.
Um nun auch dreidimensionale Objekte abbilden zu können, rasterten die PSI-Forscher ihre Probe immer wieder, drehten sie jedoch zwischen zwei Aufnahmen jeweils um einen kleinen Winkel. So erhielten sie Messdaten aus allen Raumrichtungen, die ihnen erlaubten, das dreidimensionale Objekt inklusive seiner Nanostruktur nachträglich im Computer zu rekonstruieren. Der Knochen und seine Nanostruktur: Dank ihrer neu entwickelten Auswertungsmethode konnten Forschende am PSI die Ausrichtung der winzigen Kollagenfibrillen kartieren. © Paul Scherrer Institut/Marianne Liebi Damit knüpft die neue Messmethode an ein Prinzip aus der Computertomographie (CT) an. Auch dort werden zunächst viele Röntgenaufnahmen eines Patienten oder Objekts aus verschiedenen Richtungen angefertigt und anschließend per Computerauswertung zu den gewünschten Bildern zusammengesetzt. Allerdings nutzt die herkömmliche Computertomographie keinen feinen Röntgenstrahl, sondern das Objekt wird flächig beleuchtet. Dadurch lässt sich per Computertomographie zwar die variierende Dichte des Materials abbilden, nicht jedoch die Ausrichtung der zugrunde liegenden Nanostruktur. Letzteres wird erst möglich durch den schmalen, intensiven Röntgenstrahl der SLS sowie durch hochmoderne Detektoren.
Der komplexeste Schritt war jedoch, aus der immensen Zahl der Daten per Computer ein Bild der dreidimensionalen Probe zusammenzusetzen. Hierfür entwickelten die Forscher einen eigenen aufwendigen mathematischen Algorithmus. „Der Röntgenstrahl durchquert immer die Probe in ihrer ganzen Tiefe und wir sehen nur das Endergebnis“, erklärt Marianne Liebi, Erstautorin der Studie. „Wie die dreidimensionale Struktur aussieht, das müssen wir nachträglich herausfinden.“ Liebis Algorithmus sucht für jeden Punkt im Inneren der Probe die Struktur, die am besten den gemessenen Daten entspricht. Dabei nutzten die Forscher den Umstand aus, dass sie von einer gewissen Symmetrie bei der Anordnung der Kollagenfibrillen im Knochen ausgehen konnten und reduzierten dadurch ihre Daten auf ein berechenbares Maß. Dennoch blieben 2,2 Millionen Parameter. Diese wurden per Computerprogramm optimiert, bis die Forschenden das Bild der Probe erhielten, das die Messung am besten erklärte.
Während die klassische Computertomographie Graustufen-Bilder erzeugt, entstehen mit der neuen Methode quasi bunte Abbildungen mit deutlich mehr Information: Die farbigen Linien zeigen die Orientierung auf der Nanoskala an und geben sogar Auskunft über das Ausmaß der Orientierung – ob also die Kollagenfibrillen an einem bestimmten Punkt größtenteils, teilweise oder gar nicht parallel zueinander liegen. „Wir können zwar nicht jede einzelne Kollagenfibrille direkt abbilden, aber wir brauchen das auch gar nicht“, erklärt Guizar-Sicairos. „Unsere Bildgebung gleicht eher einer Landkarte der Vegetationszonen. Auch dafür wird jeweils über ein gewisses Areal gemittelt und gesagt: Hier gibt es vor allem Nadelbäume, dort Laubbäume und dort Mischwälder.“ So lässt sich die Vegetation ganzer Kontinente kartieren, ohne jede einzelne Baumart bestimmen zu müssen.
Analog lässt sich sagen, dass bei herkömmlichen mikro- und nanoskopischen Methoden diese Abbildung einzelner Bäume noch nötig war. Darum galt: Je kleiner die Struktur eines Objekts, desto kleiner musste auch der Bildausschnitt sein. Mit ihrer neuen Methode konnten die Forscher diese Regel umgehen: Von dem mit bloßem Auge sichtbaren Knochenstück haben sie die Anordnung der Nanostruktur in einem einzigen Bild festgehalten. Originalpublikationen: Nanostructure surveys on macroscopic specimens by small-angle scattering tensor tomography Marianne Liebi et al.; Nature, doi: 10.1038/nature16056; 2015 Six-dimensional real and reciprocal space small-angle X-ray scattering tomography Florian Schaff et al.; Nature, doi: 10.1038/nature16060; 2015