Weniger Essen, weniger Sex, weniger Alkohol: Das ist die sogenannte Dopamin-Diät aus den USA. Was soll das?
Eine Askese der besonderen Art macht in den USA die Runde: Dabei geht es um das Reduzieren von Essen, Sex, Alkohol, die Nutzung von sozialen Medien und Technologien – also im Prinzip allem, was irgendwie Spaß macht. Auf diese Weise soll die Ausschüttung von Dopamin gesenkt werden. Wozu das gut sein soll? Ein Anhänger der Methode berichtet: „Nach dem Dopamin-Fasten fühle ich mich emotional, körperlich und geistig auf Null gesetzt. Die Konzentration ist besser und es fällt mir leichter, in einen Flow müheloser Konzentration zu kommen. Dopamin-Fasten macht die Arbeit interessanter, stimulierender und leichter zu bewältigen. Weitere Vorteile des Dopamin-Fastens sind befriedigendere Mahlzeiten, mehr Spaß beim Sport, eine Steigerung der Gesamtenergie sowie […] mehr Einfühlungsvermögen gegenüber anderen.“
Wie immer treiben es auch hier manche Menschen so richtig auf die Spitze: Sie gehen so weit, dass sie sämtliche soziale Aktivitäten und sogar Augenkontakt vermeiden. Dass ein solches Verhalten sinnbefreit ist, steht außer Frage. Aber lässt sich das Belohnungszentrum des Gehirns durch solche Maßnahmen überhaupt „auf Werkseinstellungen“ zurücksetzen, damit es hinterher besser arbeitet oder basiert der ganze Ansatz auf einem Trugschluss?
Beginnen wir mit dem, was wir wissen. Dopamin ist ein Neurotransmitter mit vielen Funktionen, der neben der Verarbeitung von Belohnungen z. B. auch die Motorik, die Aufmerksamkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Durchblutung der Nieren steuert, worauf die meisten sicher nicht verzichten möchten. Die Ausschüttung von Dopamin wird durch primäre Belohnungen wie Essen, Sex und Drogen aktiviert. Eine klassische Konditionierung konterkariert vernünftiges Verhalten jedoch zuweilen: Das Belohnungssystem des Gehirns lernt im Laufe der Zeit, auch auf Hinweise in der Umgebung mit einer Dopamin-Freisetzung zu reagieren und den Antrieb für „überlebensdienliches“ Verhalten zu verstärken, z. B. wenn man nur an Süßigkeiten oder an ein Bier denkt.
Die Idee des Dopamin-Fastens basiert auf dem Wissen, dass Dopamin am Suchtverhalten beteiligt ist, denn es erzeugt die Erwartung einer Belohnung. Das einfache Verbot einer bestimmten Belohnung wie beispielsweise die Nutzung sozialer Medien führt aber nicht zwangsläufig zu einer Verringerung des Dopaminspiegels, denn es hält das Gehirn nicht davon ab, danach zu verlangen und Dopamin freizusetzen.
Es ist aber möglich, die Dopaminaktivität zu verringern, indem man sich weniger Triggern aussetzt, die den Wunsch nach Belohnung wecken und ein Verhalten auslösen, das die Belohnung zum Ziel hat. Prof. Ciara McCabe, Neurowissenschaftlerin an der Universität Reading McCabe empfiehlt deshalb Personen, die ungesundes Verhalten reduzieren möchten, die Auslöser zu identifizieren und zu beseitigen: So könne man etwa Benachrichtigungstöne am Handy ausschalten oder abends ins Kino statt in die Kneipe gehen.
Der Psychologe Dr. Cameron Sepah, der als Urheber des Dopamin-Fastens genannt wird und dessen Beitrag über die Methode sich viral verbreitet hat, distanziert sich von den zahlreichen Miss- und Überinterpretationen der Verhaltenstherapie-Technik, die er seinen KlientInnen für die Bewältigung von impulsivem Verhalten und Sucht beibringt. Er sagt, dass es um die Erkennung von Konditionierungen und Stimuluskontrolle sowie um die Reduzierung eines bestimmten problematischen Verhaltens geht – beispielsweise exzessives Gaming, das innerhalb bestimmter Zeiträume gezielt vermieden wird – und nicht um eine generelle Senkung der Dopaminausschüttung, die Vermeidung jeglicher Stimulation oder ein meditatives Schweigeseminar. Wenn seine Technik auch von vielen falsch verstanden worden sein dürfte – die intensive Berichterstattung darüber dürfte den Psychologen wohl kaum stören.
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