Die Weihnachtsgeschenke, die man von seinen chirurgischen Kollegen erhält, können spektakulär sein. Damit meine ich Patienten, die voller Überraschungen stecken.
Es war Weihnachten. Ich gehörte zu den glücklichen Dienst Habenden und als internistische Dienst Habende kann man sich auf alles gefasst machen. Und so tigerte ich über die Stationen, als der Anruf eines sehr netten lustigen griechischen chirurgischen Kollegen einging. „ Hhhallo. Isch hab ein Geschenk für disch. Hier ist Patient mit Vibrator im Arsch in der Notaufnahme. Ist noch an. Kannst du Hintergrunddienst fragen, ob man endoskopisch entfernen kann? Wenn nicht geht, dann OP“.
Natürlich dachte ich zuerst es handelte sich um einen Scherz, doch dem war nicht so. Die ärztliche Ausdrucksweise entspricht doch schon recht häufig der auf dem Bau. Andererseits hätte die Beschreibung „Rektal eingeführter, länglicher, vibrierender Fremdkörper“ wohl auch zu Irritation geführt. Manchmal muss man einfach Klartext reden.
Der Dienst hatte seinen Tiefpunkt erreicht. Und so begab ich mich zu „meinem“ ersten komplett anal eingeführtem Vibrator. In der Notaufnahme lag ein verschüchterter Mann, ca. 40 Jahre alt, geistig offensichtlich retardiert. Ärztin und Patient: peinlich berührt. Es ginge ihm gut, es sei ein Unfall gewesen. Am Anfang habe es noch vibriert, jetzt nicht mehr. Die Schwestern konnten dies bestätigen.
So erfolgte zunächst eine Röntgen-Abdomen-Aufnahme, um festzustellen, wie tief der Vibrator geruscht war und um eine Perforation auszuschließen: Er saß tief, passierte den Rekto-Sigmoidlen-Übergang. Nichts desto trotz wollte der endoskopische Hintergrunddienst es versuchen. Ich rief derweil im OP an und schilderte die Situation: Lokalisation des Vibrators im Röntgen, sichtbare Batterie, keine Perforation. Der Endoskopeur versuchte sein Bestes. Und tatsächlich: Das prachtvolle Stück konnte endoskopisch geborgen werden, der OP jubelte!
Der Patient sollte noch einige Stunden zur Überwachung da bleiben, türmte jedoch in einer ruhigen Minute. Es sei ihm gegönnt.
Die Aussage meiner Kollegen in den nächsten Tagen „Wir haben gehört, du hattest an Weihnachten einen anal eingeführten Vibrator“ konnte ich somit freudig bejahen.
Rektal eingeführte Fremdkörper sind keine Seltenheit. Männer sind davon häufiger betroffen als Frauen. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt:
In einer systemischen Übersichtsarbeit von 93 Patienten aus Los Angeles/Kalifornien konnte festgestellt werden, dass bei 80 Patienten keine operative Entfernung notwendig war. Hierbei zeigte sich zudem, dass eine operative Entfernung wahrscheinlicher wurde, je höher der Fremdkörper geruscht war.
"Rektal eingeführtes Spargelglas", Quelle: Blogbeitrag von rockpop auf mta-r.de
Somit scheint sich folgendes Vorgehen bewährt zu haben: Vorsichtige rektale Untersuchung (Vorsicht bei Flaschen, Glas!) und Untersuchung des Abdomens, Röntgen zum Ausschluss einer Perforation und nicht allzu tiefer Lokalisation (Rektum, Sigma, ggf. Colon descendens) der Versuch einer endoskopischen Entfernung. Diese ist einer operativen Entfernung vorzuziehen. Bei abgebrochenen Flaschenhälsen und anderen Gegenständen, deren endoskopische Bergung zu einer Perforation führen könnte, ist die operative Lösung vorzuziehen. Bei einer bereits bestehenden Perforation ist eine operative Entfernung unumgänglich. Es gilt jeden Fall individuell zu entscheiden.
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